Es ist kurz nach 8 Uhr morgens an einem Freitag. Vor dem Gebäude der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr und Umweltschutz hat sich eine kleine Menschenmenge mit bunten Westen, Fahnen, Schildern und vor allem Fahrrädern versammelt. Gelegentlich erklingt eine Fahrradklingel. Auf den Schildern stehen Sprüche, wie WTF Bonde Blockt Blocks – Nicht mit Uns! oder Rad her – Stau Weg. Die bunten Westen tragen die Aufschrift “Nicht Hupen – Suche Sicheren Radweg”. Gerade werden Lautsprecher aufgebaut, während sich immer mehr Menschen auf Fahrrädern sammeln.
Was es damit auf sich hat?
Es ist der 16. Mai 2025 und damit der Auftakt der dreiwöchigen Aktion Stadtradeln. Die Versammlung ist eine Auftaktdemonstration des zweitgrößten Teams, das sich „Suche Sicheren Radweg” nennt.
Aber nochmal von vorne – was ist eigentlich Stadtradeln?
Stadtradeln ist eine deutschlandweite Initiative, die die Teilnehmer dazu bringen soll, ihre Alltagswege mit dem Rad zu fahren und nicht mit dem Auto. In Berlin wird Stadtradeln durch die Senatsverwaltung und durch den ADFC organisiert. Man muss sich nur auf der Stadtradeln-Webseite anmelden, einem Team beitreten und die App herunterladen, dann kann es schon losgehen. Drei Wochen lang misst man jeden Weg, der mit dem Fahrrad zurückgelegt wird. Am Ende wird zusammengerechnet, wie viel CO₂ Emissionen durch diese Fahrten gespart wurden.
Die Polizei Berlin ist fast jedes Jahr das Kilometer- und Menschen stärkste Team. Das möchte Changing Cities mit ihrem Team „Suche Sicheren Radweg” dieses Jahr ändern, um Aufmerksamkeit auf die infrastrukturellen Probleme für Radfahrende in Berlin zu bringen.
Eigentlich wurden mit dem Berliner Mobilitätsgesetz von 2018 der Ausbau von Radwegen, Fahrrad-Highways und Fahrradinfrastruktur, wie Fahrradparkhäuser für Berlin bis 2030 beschlossen. Es sollte ein 2699,8 km langes Radnetz in Berlin ausgebaut werden. Davon wurden bis Ende 2024 gerade mal 158,4 km gebaut. Das sind nicht einmal fünf Prozent der per Gesetz angekündigten Radwege. 2024 wurden 20 km von dieser Strecke gebaut, damit sinkt der Ausbau das dritte Jahr in Folge.
Wenn die Senatsverwaltung Berlin nun aber eine Dreiwöchige Fahrradaktion organisiert und die Berliner*innen einlädt mitzumachen fragt sich das Stadtradeln Team “Suche Sicheren Radweg”, und der dahinterstehende Verein Changing Cities e.V., wo man denn überhaupt fahren solle. Wo sind die Radwege, auf denen Stadtradeln stattfinden kann?
An diesem Freitagmorgen erklingen deshalb die Stimmen und klingeln von vielen, verärgerten, mit ihren Fahrrädern vor dem Gebäude der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr und Umweltschutz stehenden Menschen, die Rufen “Wo, wo, wo ist dieser Radweg?“.
Die Teammitglieder von “Suche Sicheren Radweg” sind verärgert. Sie fragen sich, wie es eine Mobilitätswende geben soll, wenn es keine infrastrukturellen Veränderungen gibt. Eine dreiwöchige Aktion, wie Stadtradeln, reicht ihnen nicht, wenn auf diese keine tatsächlichen Taten folgen.
Initiativen, wie Stadtradeln, sind wichtig, weil sie viele Menschen zum Fahrradfahren motivieren, aber wären solche Aktionen nicht vielleicht überhaupt unnötig, wenn es ein ansprechendes und sicheres Radnetz bzw. eine Radinfrastruktur in Berlin geben würde? Bis 2030 soll es das laut Mobilitätsgesetz geben. Geht der Ausbau allerdings in der aktuellen Frequenz weiter, wird das wahrscheinlich keine Realität.
In der Zwischenzeit bleiben Aktionen wie Stadtradeln, und Teams, wie „Suche sicheren Radweg” wichtig, um Aufmerksamkeit auf dieses Problem zu richten. Für Stadtradeln kann man sich auch noch während dessen Laufzeit vom 16.05.2025- 05.06.2025 anmelden, auch wenn erst am letzten Tag mit geradelt wird, zählt jeder Kilometer.
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