Hollywood streikt – Ein Kommentar

Bereits seit Monaten steht die amerikanische Traumfabrik still – Nachdem die Mitglieder der Writers Guild of America bereits am 2. Mai 2023 ihre Stifte gegen Protestschilder ausgetauscht haben, bekamen sie Mitte Juli Verstärkung von ihren Schauspielkollegin*innen. In dem weiterhin andauernden Streik, der nun seit Monaten eine ganze Industrie lahmgelegt hat, geht es allerdings um weitaus mehr als eine bloße Lohnerhöhung.


GESPRÄCHSSTOFF

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Mitglieder von SAG-AFTRA und WGA beim Streik. | Foto: Unsplash /Chris Long


Eine Industrie setzt ein Zeichen 

Es ist das erste Mal seit über 60 Jahren, dass WGA und SAG-AFTRA gemeinsam und in Solidarität den Streik ausgerufen haben: In den vergangenen zwei Monaten wurde in Hollywood nicht geschrieben, geschauspielert oder promoted – Interviews und Premieren fielen aus, sich in Produktion befindende Serien und Filme für die absehbare Zukunft pausiert. Bemerkbar wird sich dies erst in einigen Monaten machen, wenn, mit Ausnahme von Reality-TV und Auslandsproduktionen, keine Filme und Serien mehr erscheinen werden. Denn letztere sind vom Streik ausgenommen und können von den Film- und Fernsehstudios noch günstiger und ausbeuterischer in Auftrag gegeben werden. 

Trotzdem bleibt der Preis, den die Filmindustrie mit einer monatelangen Pausierung sämtlicher Produktionen zahlt so hoch, dass es beinahe schon seltsam erscheint, dass noch kein Kompromiss gefunden wurde. Doch sind die Forderungen der Gewerkschaften wirklich so absurd?

Ein Blick in das Verhandlungsprotokoll zeugt vom Gegenteil: Eine Steigerung des wöchentlichen Gehaltes, welches unter Einbezug der Inflation in den letzten Jahren immerhin um ganze 25% zurückging, wurde als unrealistisch bewertet – Und das obwohl allein der CEO von Warner Bros Discovery, David Zaslav, mit einem jährlichen Profit von 300 Millionen Dollar nach Hause geht. Die Gesamtkosten für die Forderungen, die WGA und SAG-AFTRA haben, würden sich dabei auf jährlich 450 Millionen belaufen.

Verhandlungen ohne Einsicht

Doch auch in anderen Punkten ließen die Studios nicht mit sich diskutieren. Weitere Forderungen bezogen sich zum Beispiel auf  mehr Transparenz von Seiten der Streaming-Dienste, was die Zuschauer-Zahlen angeht. So könnten die Gewerkschaften abschätzen, wie viel von dem, was mit Film und Serien verdient wird, tatsächlich die Arbeiter*innen erreicht.

Die Antwort: Forderung abgelehnt, keine weiteren Verhandlungen.

Ebenfalls ging es darum, dass das eigene Material der Autor*innen nicht für das Trainieren von Künstlicher Intelligenz verwendet oder von diesen abgeändert werden sollte. Zumindest nicht ohne deren explizite Zustimmung.

Auch hier steht im Protokoll: Abgelehnt, keine Verhandlungen.

Ganz ähnlich verhält es sich mit den Forderungen der Schauspieler*innen. Hier fordern die Studios das Recht, die Schauspielenden und deren Stimmen zu scannen, um Erstere episodenweise mithilfe künstlicher Intelligenz zu ersetzen. Klingt nach Dystopie, ist allerdings angesichts des aktuellen Entwicklungsstadiums der Künstlichen Intelligenzen gar nicht mehr so realitätsfern und stellt für die Executives der großen Filmstudios die Vision dar, die es innerhalb der nächsten Jahre zu erreichen gilt. Dass sie Schauspieler*innen dann auch nur noch für den Tag entlohnen müssten, an dem der Scan aufgenommen wird, kommt ihnen dabei sicher auch nicht ungelegen.

Picketfencing vor Paramount Pictures – Die Streikenden blockieren die Einfahrten der Filmstudios. | Foto: Unsplash / Chris Long

Wer sich nun – nicht ganz unberechtigt – fragt, wieso ein geringer ausfallender Paycheck für Leonardo DiCaprio und Co. einen überhaupt interessieren sollte, muss bedenken, dass beide Vereinigungen etwa 170.000 streikende Mitglieder haben. Ein großer Teil von ihnen verdient dabei nicht genug, um sich die Fahrt zum Drehort leisten zu können.

Einer der Writer der 13-fach Emmy-nominierten Serie “The Bear” gab an, dass er für eine Award Show einen Kredit aufnehmen musste: Das Geld auf seinem Konto reichte nicht für die Krawatte. Geschrieben hat er das Skript im Übrigen in einer öffentlichen Bücherei, da er weder Licht noch Heizung in seiner Wohnung hatte. Dass es sich hier um keinen Einzelfall handelt, ist auch den CEOs der verschiedenen Studios bewusst.

„Unser Ziel ist es, das Ganze so in die Länge zu ziehen, bis die Mitglieder der Gewerkschaften ihre Wohnungen und ihre Häuser verlieren“, sagte einer der Executives im Interview mit Deadline. Es wäre zwar fies, aber nötig, um die Gewerkschaften zum Nachgeben in ihren Forderungen zu bewegen.

Es ist ein Streik, der wohl Geschichte schreiben wird. In den nächsten Monaten wird sich herausstellen, unter welchen Voraussetzungen in der Zukunft Film gemacht wird. Mehr noch, es werden die Weichen für die künftige Nutzung künstlicher Intelligenz gestellt. Sollten die Studios hier ihren Willen bekommen, sei es nur eine Frage der Zeit, bis Musik und Journalismus ebenso einem fatalen Wandel unterworfen werden.

Weiterführende Links und Quellen

Ein Blick auf die Verhandlungsprotokolle von WGA und SAG-AFTRA mit der AMPTP.

//www.wgacontract2023.org/the-campaign/wga-negotiations-status-as-of-5-1-2023

//www.sagaftrastrike.org/why-we-strike


Autorin:

Eleonore Foss