Studieren lernen in 120 Sekunden
Wo lasse ich meine Hände, während ich versuche, einen vermeintlich komplizierten Sachverhalt so auszudrücken, dass mich wirklich niemand versteht?
Zum Semesterstart verabreichen wir Euch die Regeln für ein erfolgreiches, reibungsloses Studium. Folge 3: Vom richtigen Gestikulieren
Der Körper wird von Akademikern gerne erforscht. Geachtet wird er dagegen wenig. So wenig, dass man in akademischen Kreisen lieber gleich von Körperlichkeit spricht. Der Akademiker ist ganz Geist. Körperliche Befindlichkeiten existieren für ihn nicht. So lebt er von Keksen und Tagungskaffee und auch wenn er schwitzt wie ein Stier, macht es ihm nichts aus, denn: Der Akademiker hat keinen Körper zu haben.
[aesop_quote type=”pull” background=”#3b3b3b” text=”#FFFFFF” width=”200px” align=”left” size=”1″ quote=”„Die Hand des Akademikers ist die Verlängerung seines Geistes. Je komplizierter der Gedanke, desto unnatürlicher die Drehung, die er mit dem Handgelenk vollführt.“” parallax=”off” direction=”left” revealfx=”off”]
Dementsprechend schmal ist das Register dessen, was im akademischen Raum an Körperbewegungen möglich ist. In dieses Register fallen bestimmte Gesten, die sich von der ausgreifenden Gestik, sagen wir, eines Fußballtrainers in Form und Radius unterscheiden. Wie die Sprache, so gebrauchen Akademiker auch ihre Hände auf eine Art und Weise, die der des Normalbürgers und der Normalbürgerin entgegengesetzt ist.
Die Hand des Akademikers ist die Verlängerung seines Geistes. Je komplizierter der Gedanke, desto unnatürlicher die Drehung, die er mit dem Handgelenk vollführt. Kippfiguren, Vexierbilder und andere dialektische Gedankenspiele werden mit einer wippenden Handbewegung unterstrichen. Argumente an den Fingern abgezählt. Dabei kommt es immer gut, wenn Punkte scheinbar unabsichtlich übersprungen oder vergessen werden. Erstens, zweitens, viertens. Ja, das Image des zerstreuten Professors will verdient werden!
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UNIDSCHUNGEL
Aber zurück zu den Händen: Differenzierungen zerreibt die Akademiker*in zwischen ihren Fingerspitzen wie Salz in einem Stößel. Große Gesten sind Tabu. Genauso wie Äußerungen der Freude oder Unflätiges, es sei denn, der gestreckte Mittelfinger wird zum Zeigen an der Tafel verwendet. Wobei das ist eher was für Oberlehrer!
Die Lektion in einer Nussschale: Nutze deine Hände so, wie es sich für eine Akademiker*in gehört. Ignoriere deinen Körper.
Serie: “Studieren lernen in 120 Sekunden”
Der Beitrag ist der dritte Teil unserer Serie „Studieren lernen“ – Alles, was Ihr zum Überleben an der Uni wissen müsst, in 120 Sekunden. Zum Auftakt gaben wir Euch einen Crashkurs in akademischer Sprache. Eo ipso und so. In Folge zwei erklärte Euch Delilah, wie Ihr es durchs Studium schafft, ohne auf dem Campus zu verhungern. Damit seid ihr schon mal gut vorbereitet auf den Culture Shock Universität.
Fertig sind wir aber noch lange nicht. Schließlich will gelernt sein, wie man ins Grimm-Zentrum rein- und mit einem Buch wieder rauskommt; warum beim Drucken immer die Seite 14 fehlt; was man tun muss, um exmatrikuliert zu werden; und wie ihr es vermeidet, euch nicht auf die letzten Vorlesungssekunden noch durch lautes Klatschen als Ersti oder Arbeiterkind zu entlarven.
Also dran bleiben. Und wenn ihr selber Ideen habt, Fragen, die euch unter den Nägeln brennen, etwas, das ihr schon immer mal über die Uni und ihre Ma-ni-e-ris-men (sorry) sagen wolltet, dann schreibt uns einfach eine Mail an wortredaktion@couchfm.org. Wir freuen uns auf eure Anregungen!