Einmal Bestätigung, bitte

Er ist groß. Er ist charmant. Er ist witzig. Er sieht wahnsinnig gut aus. Nicht nur, dass er ganz genau weiß, was er macht, sondern zusätzlich ein Fachkundiger der weiblichen Anatomie ist nein, zu allem Überfluss tut er noch so, als wenn er dies nicht wüsste. Die Kombination ist unschlagbar und macht ihn natürlich auch charakterlich unwiderstehlich. Das, meine Damen und Herren, ist der Anfang meines emotionalen Niedergangs.
Wir alle kennen die Phase nach einer Trennung und der damit zusammenhängenden mehr oder weniger langen Beziehung. Man will frei sein. Man tobt sich aus. Auf gut deutsch gesagt: Man flirtet und – entschuldigt meine Ausdrucksweise, aber es kann nicht schöner umschreiben werden – fickt als gäbe es kein Morgen mehr.

Natürlich bin ich emotional abgekapselt. Ich verlieb mich so schnell nicht mehr. Und ich will ja auch gar keine Beziehung. Das rede ich mir so lange ein, bis auch mein Unterbewusstsein betäubt ist und widerstandslos kooperiert. Dieses Mindset hält im Schnitt so drei bis zwölf Monate. Je nachdem wie die Beziehung zu Ende gegangen ist, gibt es hier eine Toleranz von weiteren drei bis zwölf Monaten. Und ab da wird’s schwierig.

Während die meisten vorgeben die Phase noch länger ausreizen zu wollen, obwohl sie mental schon lange wieder im Beziehungs-Modus sind, gibt es auch diejenigen, die genauso gut eine bezahlte Partnerschaft mit Tinder eingehen könnten. Die ewigen Singles, die Fuckboys, ja, die Long Dons der Generation Y. Treffen zwei Personen unterschiedlichen Typs aufeinander, gibt es mit Garantie – und das verspreche ich euch – Chaos. Leider erkennt man auf den ersten Blick nicht, wer in welche Kategorie gehört. Und so kommt es, dass sich zwei Menschen treffen und daten, ohne zu wissen, dass sie an vollkommen unterschiedlichen Enden stehen. Ergo: einer geht auf jeden Fall mit einem gebrochenen Herzen nach Hause.

Und dann passiert Folgendes: Man gerät in die Tinder-Endlosschleife. Dem leichten Herzschmerz zu Folge reagiert das angeknackste Ego mit einer Trotzreaktion. Kann doch nicht sein, dass man einen Korb kassiert hat. Das muss direkt mit einem guten Gefühl übermalt werden. Denn wir müssen was ändern. Das wollen wir nicht nochmal erleben. Wir ändern unsere Grundeinstellung. Der vorher noch beziehungsbefürwortende Tinderkonsument entwickelt sich durch Metamorphose zum liebebefreiten Allesficker.

Was vor sechs Monaten schon mit der Moralkeule geächtet wurde, wird jetzt noch schwieriger. Denn Corona schiebt der eigenen Promiskuität den Riegel vor. Vorbei der Egotrip. Abstinenz ist der neue Schlüssel zum Unglücklichsein. Das, was vorher wie ein leichtes Meeresrauschen mein Leben mehr oder weniger bereichert hat, gibt es jetzt nicht mehr. Bye, bye kleine Dates aus denen ich stundenlange Tinder-Plausch-Revival-Abende gemacht habe. Wart ihr doch immer ungewollt meine Muse gewesen.

Seit Monaten heißt es Social Distancing statt Social Exploring. Es langweilt mich. Um es platt zu sagen: Ich brauche meinen Zucker. Fing doch fast jedes Treffen meiner Mädels mit einer Tinder-Story an. Stattdessen reden wir über die Uni, die Karrieren und das Leben, wenn die Uni mal vorbei ist. Zu groß ist der Neid, auf diejenigen, die sich während Corona einen permanenten Fuck-Buddy aka Freund zugelegt haben. Natürlich ist man nicht neidisch wegen des Freundes, bleiben wir ehrlich.

Es ist wie ein innerer Druck, der nicht abfallen kann. Etwas, was ich sonst durch exzessives Tanzen oder Dates kompensiert habe, bleibt momentan auf der Strecke. Mag es die Unsicherheit mit dem eigenen Körper sein oder ein anderer irrationaler Komplex sein, der mich in die Arme wildfremder Typen treibt. Corona sagt nein zu alldem. Da soll nochmal einer sagen, dass das Schicksal ein mieser Verräter wäre. Aber es nützt ja nichts. Auch ich brauche meine Bestätigung. Ja, ich bin ein einfach gestrickter Mensch.

Und an dieser Stelle kann man nicht genug Props an Dating-Apps rausgeben. Einmal Bestätigung zum Mitnehmen, bitte? Kein Problem! Kann ich zwar nicht alle von ihnen daten, ohne mit meinem Egoismus meine eigenen Ethik-Säulen einzureißen, habe ich trotzdem die Möglichkeit meinen Marktwert zu testen. Und weil keiner weiß, ab wann man wieder daten und tun kann, was man will, bleiben einem nur Tinder und Co. Zumindest solange ich meine Werte in Sachen Moral und Gesellschaft nicht über den Haufen werfe. 

Du willst mehr lesen? Kein Problem! Auf meinem Blog catchmerandom findest du weitere Kolumnen von mir.

Autorin:

Janna