Buntes Treiben auf der Reeperbahn – mal anders
couchFM verabschiedet den glorreichen Festivalsommer 2018 auf der berüchtigten Hamburger Reeperbahn. Redakteurinnen Hannah und Christina waren für euch vor Ort und berichten im Klangkompott von ihren Eindrücken. Neben vielen musikalischen Neuentdeckungen gibt’s auch Interviews mit dem Anchor Award-Gewinner TAMINO und der Berliner Band MADANII.
Die Reeperbahn kennt man vor allem als berühmt-berüchtigten Hotspot für Rotlicht, Touris und unzählige Junggesellenabschiede. Das dem so ist, lässt sich nicht leugnen. Aber in Wirklichkeit findet man dort dazwischen auch eine ganze Reihe an wunderbaren Bars, Clubs und Konzertsälen, die von schlodderig bis hipsterig an jeder Ecke lauern. Seit inzwischen dreizehn Jahren erwacht dieser Teil Hamburgs in einem anderen Licht als nur Rot zum Leben – und zwar beim alljährlichen Reeperbahn Festival, einem urbanen Musikfestival, das neben hunderten von Konzerten auch jede Menge Kunst, Kultur und Branchen-Networking bietet.
2018 stand, wie schon die die Jahre zuvor, ganz im Zeichen der Underdogs. Statt wie andere Festivals auf wenige, dafür aber große Headliner zu setzen, lockt die Reeperbahn vielmehr mit einer enorm hohen Anzahl an Acts, die dafür aber noch Unbekannte oder gar völlige Neulinge in der Szene sind. Lohnen tut es sich trotzdem, oder vielmehr: gerade deswegen! Die rund 500 (!) auftretenden Künstler, darunter auch fast zur Hälfte weibliche Acts, zeigen vielversprechende und spannende Perspektiven in der aktuellen Musiklandschaft auf. Es ist definitiv ein Festival für Neuentdeckungen!
Seit drei Jahren wird deshalb auch im Rahmen des Festivals der Anchor-Award verliehen. Eine renommierte Jury aus der Musikbranche wählt dabei aus den nominierten aufstrebenden Newcomern den vielversprechendsten Act aus. Dieses Jahr gab es jedoch große Verwirrung: Die Jury 2018 (u.a. Linda Perry & Tony Visconti) konnte sich auf keinen einzelnen Sieger einigen. Stattdessen ging der Pokal an zwei verschiedene Nominierte, jeweils zufällig aus Belgien: Die Psychedelic Pop-Band FACES ON TV und den Singer-Songwriter TAMINO.
“I heard who was in the Jury and that was crazy – so it’s a big honor!”, erzählte TAMINO im Interview mit couchFM etwa eine Woche vor der Preisverleihung. Der zurückhaltende, fast schüchtern wirkende Belgier mit arabischen Wurzeln und einer Stimmgewalt, die live das ganze Publikum in andächtiges Staunen versetzte, heimste sich zu Recht den halben Anchor-Award ein.
Neben den zahlreichen internationalen Acts fanden sich natürlich auch viele nennenswerte deutsche Künstler bei dem Szene-Treffen in Hamburg ein. Sowohl alte Hasen wie PHILIPP POISEL oder der schon lange agierende Musiker Florian Sievers mit seiner neuen Formation DAS PARADIES waren am Start, wie auch aufregende neue Gesichter, z.B. die Hamburgerin KUOKO, die Nürnberger von [LEAK] oder auch das Berliner Duo MADANII.
Für solch weniger etablierte Künstler ist das Festival auch eine Chance, wie Dena und Lucas von MADANII im Interview erzählen. Die große Anzahl an Vertretern der Musikindustrie sind schließlich auf der Suche nach neuen Talenten. “Da muss man aber auch vorsichtig sein”, meint Dena. Auch ohne Label im Rücken machen sie schon seit über zwei Jahren Musik – und das Ergebnis kann sich sehen lassen! Der persisch angehauchte Electro-Pop passt genauso gut in das zeitgenössisch angesagte Hipstertum, wie in eine zeitlose, überkulturelle Pop-Tradition. Der Song “ROSEMVRY” ist der beste Beweis.
Sängerin Dena lebt ihre iranischen Traditionen live in einem ausdrucksstarken Tanz aus.
Trotz Unwetter, zahlreicher Verschiebungen und Ausfällen, nervigem Anstehen, gehetzten Location-Wechseln und immer wieder Einlassstopps, am Ende hat sich das Reeperbahn Festival 2018 voll und ganz gelohnt. Und zwar dank der vielen hundert lohnenswerten Auftritten von aufstrebenden, frischen Musikern – ganz egal ob es die beiden Anchor-Gewinner FACES ON TV und TAMINO sind oder die ganzen anderen, kleinen persönlichen Highlights und Neuentdeckungen wie FATHERSON, GEOWULF oder MADANII (nur um mal ein paar zu nennen!)