Reden wir über Trash-TV. Die, meiner Meinung nach, beste Sparte des Fernsehens. Ich meine, welches andere Format kombiniert so einfach, wie auch geschickt Tragödie, Komödie, (gefakte) Liebe und Intrigen in einer Stunde Sendezeit? Eben.
Spätestens seit RTL, VOX und Co mit dem Online-Anbieter TVNOW die gemeine Trash-Liebhaberschaft auch im Internet abholt, habe ich mein Herz an besagte Formate verloren. Fleischbeschau auf niedrigstem Niveau ist wie Metadon für meinen Kopf. Sich nicht mit den eigenen Gedanken und Herausforderungen des Alltags beschäftigen zu müssen und sich für kurze Zeit in die „minderwertigen“ alltäglichen Stolpersteine zukünftiger Z-Promis zu begeben, ist ein Segen für meine Seele.
Was früher noch als Hartz-IV-TV abgetan wurde, ist heute aus dem Durchschnitts-Büro-Alltag nicht mehr wegzudenken. Wer sich mittwochs nicht mit dem „Bachelor“ (wahlweise auch „Bachelorette“) und seinem Harem auseinandersetzt, kann Donnerstag früh im Pausenplausch nicht mehr mitreden und wer nicht mitreden kann, verliert den Anschluss. Dabei geht es nicht darum, das Format tatsächlich inhaltlich zu verfolgen, sondern die einzelnen Charaktere zu verurteilen und Theorien aufzustellen. Allem vorangestellt ist die oberste Mission natürlich herauszufinden, aus welchem Format man einzelne einschlägige Personen bereits kennt und in welchem „Ich bin auf der Suche nach der großen Liebe“-Format sie als Nächstes auftauchen werden.
Je mehr man sich mit den Sendungen auseinandersetzt, desto mehr wird eine gewisse Redundanz der Akteure erkennbar. Nehmen wir zum Beispiel „Love-Island-Aleks“: Hat er 2019, wie gesagt, bei „Love Island“ schon nach seiner wahren Liebe gesucht, ist er 2020 auch bei „Are you the one?“ zu sehen, um natürlich vergebens nach seinem „Perfect Match“ zu suchen. Dabei bestehen die Kandidaten aus mehr oder weniger bekannten Persönlichkeiten und naiven Nobodys, die mit ihrer Teilnahme dem Traumberuf Influencer etwas näher kommen wollen. Während sich also zwischenzeitlich die einen als Stars und Sternchen über die roten Teppiche der Republik gemogelt haben und sich mit SmileSecret-Werbung auf Instagram etwas Taschengeld dazu verdienen wollen bis das nächste Trash-Format in den Startlöchern steht, gehen die anderen tatsächlich regulären Berufen nach. Eine wilde Kombi aus operierten Wanna-be-Influencern und Normalos hangeln sich gemeinsam durch den TV-Jungle. Und nun, was soll ich dazu anderes sagen, als: Ich lieb’s!
Eine Welt, in der es keine anderen Probleme gibt, als Lästereien, heimliche Knutschereien und vermeintliche Fremdgeh-Skandale. Der Tatsache geschuldet, dass alle Kandidaten von äußeren Einflüssen geschützt sind und entsprechend keinen Zugang zum Internet und Nachrichten haben, erleichtert den Fokus auf die wahren zwischenmenschlichen Probleme.
Haben sich dann doch zwei Turteiltäubchen füreinander entschieden und die gemeinsame Liebe mit einer Aufwandsentschädigung von mehreren tausend Euro besiegelt, hält das Glück in der realen Welt doch meist nur wenige Monate. Wie schade. Doch dafür gibt es eine Lösung: die Teilnahme an der nächsten Love-Reality-Show ihrer Wahl. Wie praktisch. Fame, Liebe und die große Enttäuschung live on Tape für die ganze Welt zugänglich. Das ganze läuft so gut, dass aktuell dieselben Charaktere in verschiedenen Sendungen parallel zu sehen sind. Das Geschäft mit der Liebe ist ein grausames.
Ich für meinen Teil liebe jede Sekunde am Trash-TV. Hält es mich doch davon ab mich damit auseinanderzusetzen, dass ich selber gerade die Liebe in meinem Leben vermisse oder den größten Uni-Stress habe. Es ist wie Urlaub für den kleinen Geldbeutel. Doch das Tückische an der Geschichte ist, dass man süchtig wird. Irgendwann reicht einem der „Bachelor“ nicht mehr, dann braucht man mehr. Man wandert zu minder-qualitativen Formaten wie „Love Island“ bis man irgendwann am absoluten Tiefpunkt, dem „Sommerhaus der Stars“, angelangt ist. Und spätestens, wenn man selbst das anfängt zu genießen, wird es Zeit das eigene Konsumverhalten zu hinterfragen. Nun, wie soll ich sagen, ich bin rock-bottom-Trash-TV-Guckerin und ich habe definitiv die Kontrolle über meine Sucht verloren. Wenn ihr mich also sucht, ihr findet mich aktuell beim „Kampf der Reality-Stars“.
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