Die Unsichtbaren #1: Renate

Die Unsichtbaren #1: Renate

Die Reinigungskraft Renate im Foyer der Humboldt-Universität Berlin mit Reinigungswagen.
Engel mit blauem Karren. Renate im Foyer der Dorotheenstraße 24 | Foto: Gesa Kreye

“Wenn voll ist, ist voll.”

Sie arbeiten an der Uni. Sie sind keine Studenten. Und sie bleiben die meiste Zeit unsichtbar. In den Semesterferien porträtieren wir Menschen, deren Arbeit viel zu selten gewürdigt wird. Folge #1: Renate, Reinigungskraft in der Dorotheenstraße 24.

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Unidschungel Logo. Ein Doktorhut verziert mit Palmwedeln in den Farben Mint und Dunkelgrau.

UNIDSCHUNGEL


Wer Germanistik oder Skandinavistik an der HU studiert oder aus sonst einem Grund in der Dorotheenstraße 24 unterwegs ist, wird sie vom Sehen her kennen: Renate (61), blauer Karren, grüne Hose, vor allem aber ihre lila gefärbten Haare. Denn Lila ist Renates absolute Lieblingsfarbe.

Seit vier Jahren ist Renate nun Reinigungskraft in der DOR24. Sie ist vor allem dafür zuständig, dass von allem genug da ist: Toilettenpapier, Handtücher, Seife. Wischen und Schrubben erledigt die Nachtschicht, aber wenn’s mal brennt, nimmt Renate auch selbst die Bürste in die Hand. Am schlimmsten, sagt sie, seien die Handtuchhalter. 32 Meter Stoff und eine empfindliche Mechanik, die leicht blockiert, wenn man ungeduldig ist. Dann zieht der Automat nicht mehr ein und die Stoffbänder kräuseln sich auf dem Boden, werden nass und dreckig und sie muss das dann alles wieder einrollen und an die Reinigungsfirma schicken, wo die Tücher gewaschen werden.

Geboren ist Renate in Magdeburg. 1982 zog sie mit ihrer Familie nach (Ost-)Berlin, genauer: in den Friedrichshain. Gefallen tut es ihr da noch immer. “Muss es ja, wenn man 36 Jahre aus dem gleichen Fenster schaut”, sagt sie lachend. Was sie sieht, wenn sie da raus guckt: Bäume, Wiesen, den Volkspark Friedrichshain und – natürlich – den Fernsehturm. An den Lärm der großen Straße, die an ihrer Wohnung vorbeiführt, habe sie sich gewöhnt.

Reinigungskraft mit Leidenschaft

Bevor sie als Reinigungskraft anfing, war Renate über 20 Jahre lang in einer Catering Firma für Schulen. Rechnungen schreiben, die klassischen Buchhaltungsaufgaben eben. Nach der Wende arbeitete sie als Sekretärin in einem Architekturbüro. Und jetzt putzt sie: 30 Stunden die Woche in der DOR24 und – für das gleiche Unternehmen – in einem anderen Gebäude am Spittelmarkt.

Renate sagt, sie mache ihre Arbeit gerne. Sie findet es schön, wenn andere sich wohl fühlen. Vielleicht hat das auch etwas mit ihrem Sternzeichen zu tun. Renate ist Jungfrau und Jungfrauen, sagt man, seien besonders aufmerksam, manchmal sogar pedantisch.

Renate hätte auch weiter im Büro arbeiten können, wollte sie aber nicht. Denn sie genießt die Atmosphäre an der Uni. Doch nicht alle Studierenden wissen ihre Arbeit auch zu schätzen. Gar nicht leiden könne sie, wenn die Studierenden, ohne zu fragen, in die Toilette kommen, während sie am Werk ist. Da werde sie auch schon mal “komisch”. Genauso wenn Kippenstummel neben den Aschenbecher geworfen werden. Oder jemand nicht weiß, wie man eine Klobürste benutzt…

Insgesamt ist Renate aber zufrieden mit ihrer Arbeit. Nur die Rente könnte ein bisschen besser sein. “Wird knapp”, sagt sie lakonisch. Wenn’s am Ende des Monats nicht reicht, will sie sich etwas dazuverdienen. Als Toilettenfrau in einer Diskothek. “Schön mit Duftkerzen und so.” Denn Renate liebt Techno.

Kennt Ihr eine Uni-Mitarbeiter*in, die oder den wir porträtieren sollen? Dann schickt uns eine Mail mit dem Betreff “Die Unsichtbaren” an wortredaktion@couchfm.org.


Autor:

Autoren-Profilbild von Florenz Gilly

Florenz