In einem Club vor unserer Zeit

Wir schreiben Mitte Juni und Corona hält die Welt immer noch in Atem. Alles dreht sich langsamer und nur in kleinen Schritten kehrt ein wenig Normalität zurück. Vor allem für junge Mittzwanziger, die sich doch vor allem für 2020 vorgenommen hatten den Sommer zum rauschintensivsten Jahr zu machen, ist die aktuelle Lage ernüchternd. Bye, bye Sommer meines Lebens. Da helfen soziale Medien auch nicht, die einem durchweg Clips von Festivals, durchzechten Nächten und Großveranstaltungen jeglicher Art trotzig vor die Füße werfen.

Doch nicht nur für junge Tanzwütige wird dieses Jahr zur mittelschweren Sinnkrise. Auch die Betreiber der Clubs stehen vor dem Abgrund. Mangelnde Einkünfte durch ausbleibende Kundschaft drohen die Clubkultur Deutschlands nachhaltig zu verändern.

Erinnern wir uns daran wie schön es war, als wir vor sechs Monaten noch mit Freunden frierend vorm Club standen und uns darüber geärgert haben, dass die Schlange zu lang ist. Zusammen die Beine in den Bauch stehend und philosophierend darüber wie unvergesslich dieser Abend doch werden würde.

Schnitt. Zu diesem Zeitpunkt ist ein Drittel schon so nervös gleich vorm Türsteher stehen zu müssen, dass vor Aufregung auf den Lippen gekaut wird. Ein weiteres Drittel hat die Länge der Schlange unterschätzt und knirscht deswegen schon jetzt ekstatisch mit den Zähnen. Das letzte Drittel hingegen ist so routiniert, dass sie anstehen, als würden sie beim Supermarkt eine Packung Milch kaufen.

Nachdem man den ersten IQ-Test beim Türsteher bestanden, das Handy abgeklebt und auf das Erstgeborene geschworen hat sich an alle Regeln zu halten, ist die erste und wohl auch einzige Hürde überwunden. Ein dünner Vorhang aus Stoff ist das Tor zu einer Welt, die wir wohl alle nicht mehr so schnell verlassen werden. Zumindest nicht für die nächsten Stunden. Herzlich willkommen im Narnia des kleinen Mannes.

Das Dröhnen des Basses ist schon von weitem zu hören und drückt immer mehr aufs Zwerchfell, je mehr man sich dem heiligen Gral nähert. Wild tanzende Menschen drängen sich dicht an dicht. Und auch hier zeichnet sich die volle Bandbreite ab. Der Introvertierte sich an seine Flasche krallende Typ in der hintersten Ecke, die Extrovertierten, die ca. 3 qm pro Person einnehmen, weil sie mit den Armen rudern, als müsste hier ordentlich der Kreislauf in Schwung gebracht werden und natürlich – man erkennt sie sofort – die Erfahrenen und Newbies. Die Erfahrenen sind auch meist die gelangweilten Ansteher vorm Club. Für sie ist es ein regulärer Bestandteil ihres Lebens und das hier ist halt eben Freizeit. Die Newbies hingegen sind klar durch viel Getuschel zu erkennen. Sind sie sich doch unsicher, wo alles ist und hätten am liebsten einen Lageplan mitbekommen, um sich in den verwinkelten Gängen zurechtzufinden. Aber keine Sorge, man ist ja eine Familie. Man hilft sich. Die letzte Gruppe ist wohl eine der essentiellsten Gruppen, die in jedem Club zu finden sind. Sie sind die Glücks- und Unheilsbringer zugleich. Sie halten den Laden am Laufen und bringen Unerfahrene in Versuchung. Der Ticker vor der Toilette ist fester Bestandteil und fällt nur dadurch auf, dass er der einzige ist, der den ganzen Abend an einem Platz verbringt, ohne sich auch nur einen Meter zu bewegen. Und dann gibt es den wohl wichtigsten Menschen auf der gesamten Party: den DJ. Er hält alles zusammen und die Leute bei Laune. Das verbindende Element, mit dem alles steht und fällt. Er vereint alle Gruppen. Sorgt dafür, dass die Menge tobt, sich zwei knutschend in eine stille Ecke zurückziehen oder absolute Flaute auf der Tanzfläche herrscht. Wenn ich jetzt noch weiter darüber rede, wie sehr ich solche Abende vermisse, werde ich noch ungeduldiger, als ich ohnehin schon bin. Denn hier kommt die Realität ins Spiel. Das alles wird es wohl für eine ungewisse Zeit erstmal nicht geben.

Ich sag euch eins, Kinder: Wenn das hier alles vorbei ist, will ich mich nie wieder darüber beschweren zu lange warten zu müssen, keine Lust zu haben oder sonst eine banale Ausrede zu finden, um nicht vor die Tür gehen zu müssen. Es ist genauso schnulzig wie es wahr ist. Man weiß erst was man hatte, wenn es weg ist.

Und damit gehen Grüße raus an alle meine unzufriedenen Clubgänger da draußen. Dieses Jahr ist schon jetzt in vielen Hinblicken eine Katastrophe, aber machen wir das Beste draus. Unterstützen wir die Läden, die wir lieben soweit wir können, damit 2021 endlich das alljährliche „Das wird MEIN Jahr“-Gelaber umgesetzt werden kann. Und bis dahin – ja bis dahin wird halt alles etwas weniger aufregend, aber das ist vielleicht auch gar nicht so schlecht. Entschleunigung soll ja gesund sein, hab ich gehört. Zumindest für eine Weile.

Du willst mehr lesen? Kein Problem! Auf meinem Blog catchmerandom findest du weitere Kolumnen von mir.

Autorin:

Janna