Mehr als nur ein Sternzeichen
Wenn ich die letzten Wochen eine Sache über meine Generation gelernt habe, dann das Sternzeichen mehr als nur Astrologie sind. Was für die älteren Generationen Humbug und Zeitverschwendung ist, ist der Lebensinhalt einer stets gestressten Generation. Sternzeichen, ihre Bedeutungen, ihre Konstellationen und ein bisschen Spiritualität sind das Lebensgefühl der Gen Z, der Zillenials, der aktuell jungen Erwachsenen. Aus Sternen und Planeten scheint mehr zu lesen zu sein als blanke Charaktereigenschaften.
Mag man TikTok und Co. Glauben schenken, so scheint es, als könne man aus der eigenen Sternenkonstellation Traumata, berufliche Erfolge, Sexualität und Dating-Ratschläge ziehen. Während ich dachte, dass die Zeit der Horoskope, die einst Teil billiger Zeitschriften waren, vorbei zu sein schien, werde ich momentan eines besseres belehrt. Aktuell läuft der Trend, sich durch sein Tierkreiszeichen zu definieren, auf den Social Media Plattformen des Vertrauens zu ganz neuen Höchstformen auf. Plötzlich werden sämtliche Verhaltensmuster mit Sternzeichen und ihren Aszendenten erklärt. Dabei ist es doch reiner Zufall, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Sonnenstand man geboren wurde – oder etwa nicht?
Um unsere Generation in Schutz zu nehmen, muss man dazu sagen, dass wir alle Astrologie natürlich nur ironisch abkulten. Genauso wie wir alle nur ganz ironisch DJ Bobo zum Putzen hören. Solange, bis man Opfer seiner eigenen Satire geworden ist, sein Verhalten verinnerlicht hat und plötzlich eine ganze Playlist mit 90s Trash-Hits hat, die am Ende in der Top 3 der Kategorie „meistgehört“ landet.
Und genauso war es bei mir auch. Sowohl mit den Trash-Hits, als auch mit den Sternzeichen. Zuerst nur ironisch, dann ungewollt ernsthaft. Dass das keiner von uns jemals zugeben würde, versteht sich von selbst.
Mittlerweile leben meine Feeds von vermeintlichen Astrolog*innen und Tarotkartenleger*innen, die mir meine Zukunft vorhersagen. Ich fühle mich zurückversetzt in meine Teenie-Zeit, als ich begeistert auf die letzten Seiten meiner Lieblingszeitschrift blätterte, um nachzulesen, was meine Sterne diesen Monat für mich bereithielten. Dass die Aussagen und Vorhersagen dabei so wage und allgemeingültig wie möglich gehalten waren, dass sie auf jeden zutreffen können, war mir schon damals bewusst. Jedoch ist das Gefühl einer übergeordneten „Macht“, die das Leben für einen lenkt, mehr als angenehm. Sie nimmt uns als konstant überforderte Generation den Druck immer alles unter Kontrolle haben zu müssen. Und so kommt es, dass ich ironisch meinen Freund*innen Astrologie-Memes schicke, nur damit wir uns gegenseitig bestätigen können wie sehr wir in unser eigenes Sternzeichen passen. Klar bin ich ein kreativer Eigenbrötler, aber ob das der Einfluss meiner Sternenkonstellation oder meiner Sozialisierung und Erziehung war, lässt sich rückblickend natürlich schwer sagen. Dennoch erleichtert es mir mein Leben ein Stück weit mein Verhalten durch randomisierte Planetenstellungen zu erklären, wenn einem wieder einmal die Decke auf den Kopf fällt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Prophezeiungen eintreten. Gelten sie doch mehr als eine Art Geländer, die einem die Etappen auf der Treppe des Lebens erleichtern. Man braucht sie nicht, sie zu haben, tut aber auch keinem weh.