Was haben Tusche und Entspannung miteinander zutun? Sehr viel, wie couchFM-Reporter Louis herausfinden konnte.
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KULTURKOMPASS
„Tusche erreicht erst dann ihre Vollendung, wenn nichts mehr von ihr übrig bleibt.“ So erklärt Tuschemeister Kido Ito aus Suzuka in Japan die Quintessenz seines traditionellen Handwerks und macht damit deutlich, dass es sich um eine Praxis der Vergänglichkeit handelt. Zu sehen ist das Interview in der aktuellen Ausstellung der Mori-Ogai-Gedenkstätte über die Herstellung von Kalligraphietusche in Suzuka.
Das Kunsthandwerk der Tuscheherstellung hat eine jahrhundertealte Tradition in Japan und gelangte mit dem Buddhismus ins Land. Der Herstellungsprozess ist lang und kompliziert und bedarf jahrzehntelangem Training. Zunächst werden Kiefernruß und Leim im Verhältnis 100:60 vermischt mit Duftstoffen und einem Teelöffel Wasser aus dem Suzuka-Fluss. Feinheiten sind wichtig. Stimmen die Mischverhältnisse nicht, kann auch die Tusche nicht richtig weiterverarbeitet werden.
Nachdem die Tusche zu einer weichen, glänzenden Masse geknetet wurde, wird sie portioniert, gewogen und in Presskästen gefüllt. Die Innenseite der Kästen sind mit filigranen, vom Meister geschnitzten Motiven ausgefüllt. Design und Motiv richten sich nach den Wünschen der Kunden. Dem Setzkasten entnommen, ist die Tusche immer noch leicht und biegsam. Die nun beginnende Trocknung dauert 2 bis 4 Monate. Das Material ist extrem empfindlich gegenüber Temperaturschwankungen und Veränderungen der Luftfeuchtigkeit. Deswegen kommen nur wenige Orte zur Herstellung von Tusche in Frage.
Einer davon ist Suzuka, in dem noch eine letzte Manufaktur existiert, die des Tuschemeisters Kido, der die Tradition am Leben erhält. Es ist kein Wunder, dass Meister Kido die Tuscheherstellung als seine Lebensaufgabe sieht. Denn bis zur Fertigstellung einer Serie vergeht viel Zeit. Einmal getrocknet, muss die Tusche noch weitere drei Jahre ruhen. Erst dann werden die Motive und Schriftzeichen mit Gold und anderen Farben aufgefüllt.
Auch wenn immer weniger Menschen die Kunst des Kalligraphiezeichnens beherrschen, so besitzt diese Fertigkeit bis heute eine starke Anziehungskraft auf Menschen weltweit. Laut Wonde hat das Tuschezeichnen eine meditative Grundidee, bei der es auf bewusste Atmung, Ruhe und Entspannung ankommt. Vielleicht ist es gerade dieser meditative Gedanke, der uns in hektischen Zeiten von Smartphones und sozialen Medien zu Entspannungspraktiken zurückkehren lässt. Die Transformation der Tusche bietet Anlass zur Kontemplation.
Der aber wohl faszinierendste Aspekt an der Tusche aus Suzuka ist ihre Farbe. Die Grundfarbe ist prinzipiell immer schwarz. Mit Wasser gemischt und in der Auftragung ergeben sich aber unendliche viele Variationen des Schwarz, die auch in andere Farbspektren übergehen können. Ein starkes Schwarz spricht für die Qualität der Tusche. Wie Wichtig die Suche nach dem perfekten Schwarz ist, macht Meister Kido in seinem eigenen, sehr philosophischen Zugang deutlich:
„Ich denke, dass das schönste Schwarz nicht vom Menschen gemacht ist. Es ist die Farbe eines Raben, wenn er nass ist. Dieses starke Schwarz ist die wunderschönste Farbe. Wenn er sich nach rechts dreht, sieht es rötlich aus. Wenn er sich nach links dreht, lila. Und dann wird es tiefschwarz, wenn die Sonne untergeht. Ich möchte Tusche herstellen, die genau so ist.“
Termin: Tuschemeister Kido Ito spricht am 31. August 2019 anlässlich der Langen Nacht der Museen in der Mori-Ogai-Gedenkstätte über sein Handwerk und erzählt, wieso man in Japan selbst Grünen Tee mit Tusche mischt.
Weiterführende Links:
Information zur Ausstellung auf der Seite der Mori Ogai Gedenkstätte
Tuschemeister Kido Ito auf der Langen Nacht der Museen