Selbst bankrott gehen muss man sich leisten können: Die Gastro-Branche in der Corona-Krise
“Ich hab jetzt 20.000 Euro Schulden und Suche nur noch nach nem Ausweg aus dem Ganzen.“ – Das sind nicht die Worte einer Person, die sich auf dubiose Kredit-Haie eingelassen hat, sondern einer Imbiss-Besitzerin in Corona-Zeiten, die keine andere Wahl hat außer weiterzumachen.
GESPRÄCHSTOFF
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Die Menschen sind verständlicherweise ermüdet von Corona. Vielleicht auch bedingt durch das mediale Dauerfeuer rund um Impfpflichten, Impfgegner und allem was mit dem I-Wort zu tun hat. Dadurch kommt leider einiges in der öffentlichen Debatte zu kurz.
Zu Beginn der Pandemie wurde noch ein Massensterben kleiner Läden prophezeit. Insbesondere in der Gastronomie- und Event-Branche sieht es immer noch düster aus. Aber ist das nun eingetreten? Sind die Restaurants in unseren Innenstädten bereits ausgestorben? Oder haben die Corona-Hilfspakete und vorübergehenden Rettungsmaßnahmen doch Wirkung gezeigt? Man weiß es schlicht nicht. Aufschlussreiche Statistiken sind Mangelware und die Berichterstattung hat sich längst auf neue Dauerthemen eingeschossen.
Dabei könnte man vieles über die systemischen Probleme mit den Corona-Hilfsleistungen lernen, wenn man den Betroffenen nur zuhört. Wir sprachen daher mit einer Imbiss-Besitzerin in einem Supermarkt in Berlin-Teltow. Sie ist steht bereits mitten im Abgrund, kann es sich aber wortwörtlich nicht leisten mit der Arbeit aufzuhören. Denn obwohl der Laden nicht mehr wirklich Gewinn macht, muss sie erst ihre Schulden abbezahlen. Sonst würde sie womöglich auch ihre Wohnung verlieren.
Die Miete ist das größte Problem
Die Frau wollte im Interview nicht namentlich erwähnt werden, da sie sich zum Zeitpunkt der Aufnahme sehr vor Repressalien ihres Vermieters fürchtete. Dieser sah es in keinster Weise ein ihr entgegenzukommen, abgesehen von einer obligatorischen Mietstundung. Wie viele Berliner*innen auch ohne Geschäft wissen, die Miete macht mit Abstand am meisten aus am Monatsende. Am liebsten hätte sie sich einfach gewünscht, dass der Staat sie kurzfristig und unbürokratisch übernimmt. Alle anderen Kostenpunkte wären nicht einmal vergleichbar.
Nachdem die Hilfsleistungen 2020 anfangs noch relativ schnell kamen – auch wenn sie da schon nicht für die gesamte Miete reichten – kam im Folgejahr viel zu wenig und vor allem viel zu spät. Während die ersten beiden „Corona-Pakete“ noch pauschal ausgezahlt wurden, war später jedes Unternehmen das Vollzeitangestellte hatte, dazu verpflichtet sich einen Steuerberater zu nehmen. Ganz wie bei der Steuererklärung. Nur dass plötzlich Millionen von Unternehmen in Deutschland diese zeitgleich einreichten. Man hätte es ahnen können, hätte man vorher auf die Warnungen der Kleinstunternehmen gehört: Die privaten Steuerberater waren hoffnungslos überfordert und „Die ließen sich das auch entsprechend bezahlen“, meint die Besitzerin.
Mittlerweile arbeitet sie über zehn Stunden am Tag im Imbiss, auch am Samstag. Einige ihrer Mitarbeiterinnen haben inzwischen zum Glück neue Jobs gefunden. Da sie ihre über Jahre engbefreundeten Angestellten während der Lockdown-Monate nicht entlassen wollte, kam sie in zusätzliche finanzielle Schwierigkeiten. „Ich bin froh, dass ich Essen und Trinken frei hab und alles andere muss man dann halt einschränken.“ „Zum Glück“, meint sie, hat sie keine Familie zu ernähren, sonst würde gar nichts mehr gehen.
Vielleicht ist es noch zu früh um Resümee aus der Pandemie zu ziehen, vielleicht ist aber auch gerade noch genügend Zeit um einige Läden und Schicksale zu retten. Daher ist es besonders wichtig, wieder mehr mit Kleinst-Unternehmen und Selbstständigen in Kontakt zu treten und ihre Stimmen gehört werden zu lassen. Ansonsten findet das Thema keinen Raum mehr in der öffentlichen Debatte.
Autor:
Arvid