Nicht nur der Name ein Hingucker. Der Sterne-Lieferdienst „Fuh Kin Great“. | © José-Luis Amsler
Essen auf Sterne-Niveau kann man jetzt auch nach Hause bestellen – ob das auch etwas für Studierende sein könnte? couchFM hat sich durchprobiert.
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Kulinarische Highlights für die Studi-WG
Ein halbes Monatsgehalt für einen Restaurantbesuch. So großartig das kulinarische Erlebnis
im Sterne-Restaurant auch sein mag – viele Studierende können sich das schlicht nicht
leisten. Wenn das BAföG mal wieder knapp für die Miete reicht, bleibt wenig Zeit über
Genuss nachzudenken. Grundnahrungsmittel: Nudeln mit Ketchup.
Tatsächlich gibt es jetzt aber eine Möglichkeit, verhältnismäßig günstig einen Einblick in die
Welt von Kaviar und Kobe-Rind zu gewinnen. Der Hintergrund ist dabei – wie so vieles dieser
Tage – eher betrüblicher Natur. Aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie ist auch die
Gastronomie derzeit geschlossen. Die Kellner*innen unter uns haben das bereits
schmerzlich erfahren und jetzt besonders viel Zeit zum Lernen (oder so). Doch Not macht
erfinderisch: Viele Restaurants, darunter auch renommierte Sterneläden, bieten zurzeit
Lieferdienste an. Dabei werden die angebotenen Speisen teils wesentlich günstiger
vertrieben, als es bei einem normalen Restaurantbesuch der Fall wäre.
Für couchFM habe ich Tim Raues Pop-Up Lieferdienst „Fuh Kin Great“ getestet. Der
charmante Name deutet hier übrigens auf die Art der Küche hin: Im Restaurant Tim Raue
wird vornehmlich asiatisch gekocht. Wie genau die Bestellung ablief und was die
hochqualifizierte Jury – meine hungrigen Mitbewohner*innen – zu den erlesenen Speisen zu
sagen hatte, hört ihr im Beitrag. Im Folgenden möchte ich den Foodies unter euch aber
einen kurzen Guide zum „Magic Mai“ Menü (58 Euro für vier Gänge) an die Hand geben.
Vorspeise – Gebeizter Lachs, Süßkartoffel & Kumquat
Na toll – drei Fremdwörter in einem Gericht. Dabei ist diese Vorspeise wirklich
empfehlenswert und nicht nur für Poetry-Slammer*innen, die ihr Vokabular erweitern wollen.
Der Lachs ist gebeizt, das heißt er wurde mit einem Salzgemisch eingerieben und so
gleichzeitig aromatisiert und haltbar gemacht. Die orangenen Kleckse obendrauf sind
cremiges Süßkartoffel-Püree auf dem ein paar Scheiben Kumquat (eine exotische
Zitrusfrucht) thronen. Das Ganze badet in einer süß-säuerlichen Vinaigrette (das gestelzte
Wort für Essig-Öl Dressing). Zu guter Letzt gibt etwas japanische Chilli den gewissen Kick.
Spargelcremesuppe mal anders
Dieser Gang kommt vergleichsweise einfach daher. Eine Spargelcremesuppe mit Einlage –
nur eben unfassbar gut. Gepicklete, also in Essig oder Salzwasser eingelegte Radiesschen
geben hier aber eine total unerwartete säuerliche Note.
Hauptgang – Kalb, Erbsenpüree & Sauerampfer
Klingt erstmal wie bei Oma. Aber auch bei diesem Gang springen meine Mitbewohner*innen
aufgeregt hin und her, als sie ihn probieren. Das unfassbar zarte Fleisch wird mit einer Jus
(brauner Sauce) serviert, die mit edlem japanischen Alkohol verfeinert ist. Beim Erbsenpüree
denke ich mir „Gut…ist halt Erbsenpüree, wa…“ und werde von einer überraschenden
Ingwer-Note eines Besseren belehrt. Auch Sauerampfer, Apfel und grüne Bohnen klingen
erstmal relativ unsexy. Als die fast schon Extreme aber doch austarierte Schärfe mich dann
umhaut, revidiere ich meine Meinung.
Dessert – Kiwi, Kokosnuss & Limettensud
Nicht nur optisch hat es das Dessert in sich. Der grüne Karpfen auf dem Teller besteht aus
Schokolade, in der sich cremige Kokosnuss verbirgt. Und da wir einen gänzlich süßen
Abschluss des Menüs erwarten, überrascht uns hier die Schärfe, die sich in der Kiwi
versteckt, umso mehr. Abgerundet wird dieser trés instagramable Nachtisch von Shiso
(quasi japanische Minze) und dem prägnanten grünen Teich aus fruchtig-saurem
Limettensud.
Mehr als nur Nahrungsaufnahme
Unterm Strich kann ich solche Sterne-Lieferdienste nur weiterempfehlen. Dabei ist mir
bewusst, dass 58 Euro für Studierende viel Geld sein können. Ich selbst habe es mir
zweimal überlegt, ob ich denn jetzt wirklich so viel Geld für eine Mahlzeit ausgeben möchte.
58 Euro, das sind immerhin vier Kinobesuche oder die Nebenkostenabrechnung von letztem
Monat. Und dennoch ist es das wert.
Wirklich gefallen hat mir die Tatsache, dass die gefühlte Eintrittsbarriere, die man sonst mit
Edel-Restaurants verbindet, beim Lieferservice wegfällt. Letztlich war es auch der Gedanke
daran, im abgewetzten Konfirmationsanzug neben ein paar zwielichtigen steinreichen
Lobbyist*innen zu sitzen, der mich manches Mal davon abgehalten hat mich in so ein
Restaurant zu wagen.
Die ständige Balance zwischen süß, sauer und scharf und die kunstvolle Anrichteweise des
Menüs haben mich dann Zuhause umso nachhaltiger fasziniert. Natürlich muss und kann es
nicht jeden Tag das perfekte Sterne-Menü sein, dafür müsste ich dann noch ein paar
Jahrzehnte kellnern. Aber sich bewusst auf ein Gericht einzulassen, dass eben viel mehr ist
als nur reine Nahrungsaufnahme – diese Erfahrung erweitert den studentischen Horizont
ungemein. Und ist verdammt lecker.
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