Bericht

Die letzten Tage vor der Räumung: Ein Wochenende im besetzten Lützerath

Am 3. Januar wird in Lützerath Tag X ausgerufen, am 9. Januar endet die seit Juli 2020 legal angemeldete Mahnwache. Vom 5. bis zum 9. Januar war ich für couchFM in Lützerath unterwegs. Eine Woche später, am 16. Januar, wird die Räumung offiziell für abgeschlossen erklärt. Heute ist von den ehemaligen Strukturen der zweieinhalb Jahre andauernden Dorfbesetzung nur noch Ackerboden vorhanden.


GESPRÄCHSTOFF

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Blick aus Lützerath auf das Braunkohleabbaugebiet Garzweiler II / Foto: privat


Das nordrhein-westfälische Dorf Lützerath liegt zwischen Köln und der niederländischen Grenze, zwanzig Minuten von Mönchengladbach entfernt im sogenannten Rheinischen Revier: Europas größter Braunkohleregion. Der Energiekonzern RWE fördert hier in großen Mengen Braunkohle, die in den umliegenden Kohlekraftwerken verstromt wird. Laut RWE wurde das Abbaufeld unter Lützerath bereits 1995 genehmigt. Die Inanspruchnahme von Lützerath ist zudem in einem Eckpunktepapier, das von RWE mit dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Wirtschaftsministerium NRW ausgehandelt wurde, gesetzlich verankert. Laut diesem sogenannten RWE-Deal darf Lützerath abgebaggert werden. Dafür verpflichtet sich der Energiekonzern allerdings zum auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg. Weitere fünf Dörfer an der Abbruchkante bleiben erhalten.

Die Entscheidung fußt auf einer Studie von NRW.Energy4Climate und BET aus September 2022, die das Wirtschaftsministerium des Landes Nordrhein-Westfalen in Auftrag gegeben hat. Die Studie gibt an, die Kohle unter Lützerath würde benötigt, um die Energiesicherheit in Deutschland zu gewährleisten. Der Zugriff auf besagte Studie über die offizielle Website des Wirtschaftsministeriums NRW ist inzwischen nicht mehr möglich und mit “Sie haben keine Zugangsberechtigung auf diese Seite” gekennzeichnet.

Die Studie, auf die sich der RWE-Deal bezieht, wird von hochrangigen Wissenschaftler:innen als kritisch betrachtet. Eine Studie von Aurora Energy Research für Europe Beyond Coal bestätigte im August 2022, dass die Energiesicherheit in Deutschland, trotz der durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verursachten Gasknappheit, ohne die Kohle unter Lützerath gewährleistet werden kann. Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und Autorin der Studie, bestätigte diese Ergebnisse am 11. Januar in der Tagesschau.

Die Datenlage zur Causa Lützerath ist chaotisch – die Frage nach der Notwendigkeit der Abbaggerung bleibt weiterhin umstritten. Obwohl Lützerath inzwischen abgerissen wurde und der Braunkohleabbau bevorsteht, ist das ehemalige Dorf an der Abbruchkante des Tagebaus Garzweiler II zum Symbol der Klimaschutzbewegung geworden.

Wie die Lage in Lützerath am letzten Wochenende vor der Räumung war, was die Aktivist.innen zur Besetzung motivierte und welche Argumente für und gegen den Erhalt des Dorfes in Europas größter Braunkohleregion sprachen, erfahrt ihr im obigen Audiobeitrag.

Weiterführende Informationen

Auf dieser Seite findet ihr das mit RWE ausgehandelte Eckpunkte-Papier des Wirtschaftsministeriums Nordrhein-Westfalens

Hier gelangt ihr auf die Studie zum Energiebedarf Deutschlands von Aurora Energy Research

Tagesschau-Interview mit Claudia Kemfert vom DIW zur Energiesischerheit in Deutschland

 


Autorin:

Cora