Muss die Wirtschaft schrumpfen, damit das Klima gerettet werden kann?
Die natürlichen Ressourcen der Erde neigen sich immer schneller dem Ende zu. Wasserknappheit, schrumpfende Biodiversität und endliche landwirtschaftlich bewirtschaftbare Flächen bedrohen die adäquate Versorgung der Menschheit. Selbst Sand gibt es nicht mehr wie Sand am Meer. Trotzdem ist unser Wirtschaftssystem auf unendlichen Wachstum ausgelegt und ignoriert die unumgänglichen, planetaren Grenzen.
Wirtschaftswachstum ist gut und sorgt für Wohlstand und soziale Ruhe. Rezessionen werden gefürchtet, denn sie führen zu steigender Arbeitslosigkeit und finanziellen Engpässen. So lautet das herrschende Narrativ bezüglich unserer Wirtschaftsordnung. Angesichts der fortschreitenden Klimakrise und der Ressourcenknappheit werden jedoch immer mehr Stimmen laut, die ein Wirtschaften ohne Wachstum fordern. Die Transformationsforscherin Maja Göpel macht sich prominent für eine Postwachstumsgesellschaft stark und erläutert in ihrem Buch “Unsere Welt neu denken – Eine Einladung”, warum es dringend nötig ist, dass weniger Ressourcen verbraucht werden und warum dies nicht mit unendlichem Wirtschaftswachstum zu vereinen ist.
Wohlstand geht auch ohne Wachstum
Weniger Wachstum bedeutet aber nicht unbedingt Elend und Armut. Jahrzehnte des Turbokapitalismus haben gezeigt, dass materieller Reichtum und Konsum nicht maßgeblich für menschliche Zufriedenheit sind. Ganz im Gegenteil: Konsumzwang kann drastische negative Nebenwirkungen wie z.B. Burnout, Depressionen, Angststörungen oder Fettleibigkeit mit sich bringen. Achtsamkeit, Self-Care, Meditation und Yoga sind im Trend und stellen eine Gegenbewegung zur materialistischen, konsumorientierten, spätkapitalistischen Gesellschaft dar. Auch wenn die fortschreitende Kommerzialisierung dieser Konzepte zur Eingliederung in die Konsumgesellschaft führt, zeigt das Interesse an Minimalismus und Co., dass unendlicher, gieriger Konsum Menschen nicht glücklich macht.
Auch wenn viele Ökonom:innen dies vielleicht nicht wahrhaben wollen, steht angeschts der Klimakrise fest, dass wir nicht nicht so weitermachen können wie bisher – wenn wir das Überleben der Menschheit auf der Erde sicherstellen wollen. Schon jetzt ist unser Konsum nicht nachhaltig. Würden alle Menschen auf der Erde so viel konsumieren und so viel Co2 ausstoßen wie die Deutschen, bräuchte es die Ressourcen von drei Erden, um den Bedarf zu decken. Dies zeigt deutlich: Wir leben weit über unsere Verhältnisse hinaus, während andere Menschen nicht genügend Ressourcen für ein menschenwürdiges Leben zur Verfügung haben. Sollten wir weiterhin auf Wirtschaftswachstum setzen und unser Konsumlevel steigern, würde die globale Verteilungsungerechtigkeit immer schrecklichere Maße annehmen.
Das Konzeptwerk Neue Ökonomie setzt sich für eine radikale Umstrukturierung unserer WIrtschaft und Gesellschaft ein und fordert unter anderem den wirtschaftlichen “degrowth”, um eine nachhaltige und sozialgerechte Welt aufzubauen. Couchie Marita hat Ruth vom Konzeptwerk mit den gängigsten Kritikpunkten an dem Konzept des “degrowths”/ der Postwachstumsökonomie konfrontiert. Im Beitrag hört ihr, was Ruth dazu zu sagen hat.
GESPRÄCHSTOFF
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Weiterführende Links
Definition und Infos zu “Degrowth
Vortrag von Prof. Dr. Niko Paech zum Thema Postwachstumsökonomie
Offener Brief von Wissenschaftler:innen, die sich gegen Wirtschaftswachstum aussprechen