Die Suche nach dem Endlager

Die AKWs kommen vom Netz, aber wohin kommt der Atommüll?

Ein Interview über den aktuellen Stand der Endlagersuche mit Wolfram König, dem Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE).

 


CouchFM Logo der Sendungsreihe "Gesprächsstoff". Ikonischer Fernsehturm vor Skyline in Mint und Grau.

GESPRÄCHSTOFF

 

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Derzeit läuft mittels eines gesetzlich geregelten Auswahlverfahrens die sogenannte Endlagersuche. Ein erster Zwischenbericht wurde im Herbst 2020 veröffentlicht. Herr König, was ist denn der aktuelle Stand der Suche?

Alle sind aufgefordert etwas dazu beizutragen, dass unterschiedlichste Gesichtspunkte in das Verfahren mit einfließen können. Dieses erste Format bezieht sich jetzt primär auf allgemeine Fragestellungen hinsichtlich der geologischen Strukturen, die man identifiziert hat. Im nächsten Schritt geht es darum, eben diese sehr großen Flächen näher zu betrachten. 

 „Alle“, wer ist damit gemeint und wie sieht die Beteiligung genauer aus?

Der erste Zwischenbericht wird derzeit mit all den interessierten Gruppen öffentlich diskutiert, die direkt durch das Gesetz, welches die Grundlage dieser Suche bildet, angesprochen werden:  WissenschaftlerInnen, BürgerInnen, kommunale Vertreter und zivilgesellschaftliche Organisationen. Über selbstorganisierte Fachkonferenzen hinaus, können BürgerInnen sich beteiligen, indem sie online auf der Homepage des BASE ihre Stellungnahme abgeben. Das Ganze wird abgeschlossen mit einem Bericht, der dann dem Unternehmen übergeben wird. Dieses muss sich dann mit den Ergebnissen auseinandersetzen.

Sie sprechen von dem Unternehmen. Können Sie dieses konkret benennen?

Das Unternehmen ist die BGE GmBH, in dieser Form ist sie rechtlich organisiert, aber sie ist eine Bundesgesellschaft, d.h. sie ist vollständig unter der Kontrolle der Bundesregierung, somit ist sichergestellt, dass die parlamentarische Aufsicht gewährleistet wird und hier keine Interessen von einzelnen Unternehmen, die Abfälle erzeugt haben oder damit Geld verdienen wollen, im Vordergrund stehen, sondern von Anfang an das Gemeinwohl. Die Sicherheit wird durch die Geologie gewährleistet und es gibt keinen Ausschluss von vornherein irgendeine Region nicht zu betrachten. Im Zentrum steht nämlich, den sichersten Ort in der Bundesrepublik für diese Stoffe zu finden.

Insgesamt wurden fürs Erste 54% der Landesfläche als Teilgebiete identifiziert. Die Hauptstadt miteingeschlossen. Wo in Berlin wäre denn der Bau eines Endlagers denkbar?

Ich habe jedenfalls dem ersten Schritt entnommen, dass auch unter Teilen von Berlin durchaus geologische Formationen sind, die man in weiteren Verfahren genauer angucken will und muss. Aber heute wäre es genau der falsche Weg, zu sagen: Ich, als wer auch immer, wüsste schon, wo das Endlager vernünftigerweise hinkommt. Genau das soll das Verfahren verhindern, dass hier nicht einzelne Interessengruppen darüber befinden, wo es am besten hinkommt. Auch entscheidet am Ende nicht eine Behörde oder ein Unternehmen, sondern der Bundestag.

 

Foto der Eingangstür des Bundesamtes für Sicherheit der nuklearen Entsorgung
Eingangstür des BASE in Berlin Charlottenburg, Foto: Nika M.

Neben so einem Endlager zu wohnen ist eine merkwürdige Vorstellung. Unabhängig davon, wo genau es aufgebaut wird, welche Gefahren birgt das Endlager in sich?

Ein Endlager darf keine Gefahren haben. Und zwar nicht nur für uns nicht, sondern auch für alle kommenden Generationen. Aber mit so einer großtechnischen Einrichtung sind natürlich eine Vielzahl von Fragen verbunden: Infrastruktureinrichtungen, Transporte von Abfallbehältern usw. Das Gesamtsystem muss sicherstellen, dass keine Gefahren davon ausgehen. Trotzdem ist es für das Empfinden natürlich so: Wenn man den Begriff „Atommüll” hört, assoziiert man genau das Gegenteil. Vielleicht aufgrund der Erfahrung aus der Vergangenheit, wie z.B. in der Asse oder Gorleben, wo also nicht immer mit der Sorgfaltspflicht vorgegangen wurde, wie man sich das hätte wünschen sollen.

Warum können die Stoffe eigentlich nicht umgewandelt bzw. wiederverwertet werden? Und warum nicht neue Formen von Reaktor-Linien in Erwägung ziehen?

Keine Technologie bietet eine abschließende, absolute Sicherheit. Es bleiben am Ende auch einfach Atommüll-Mengen übrig. Und das, was wir schon haben, kann nicht alles umgewandelt werden. Also, wir kommen nicht um ein Endlager herum.

Nur soll die Suche noch bis 2031 andauern. Ganze zehn Jahre. Ist das nicht sehr lang?

Das ist andersherum der Fall, dass diese zehn Jahre sehr, sehr großzügig sind. Weil die Schrittabfolge, die das Verfahren vorgibt, sicherstellen soll, dass immer wieder Zwischenschritte erfolgen können. In denen sich alle in Beteiligungsformaten einbringen können, aber eben auch der Bundestag Entscheidungen treffen muss. Es müssen die wissenschaftlichen Grundlagen gegeben sein, obertätig und untertägig, um die Sicherheit garantieren zu können. Und 2031 ist noch nicht der Betrieb des Endlagers. Wenn alles gut geht, rechnet man, dass 2050 ein Endlager für radioaktive Stoffe in Deutschland betriebsbereit sein kann. Aber auch das ist ein sehr ehrgeiziger Fahrplan.

Wie geht es eigentlich nach der ersten Phase weiter? Was sind die weiteren Schritte?

In weiteren Verfahrensschritten geht es darum, zu gucken, wenn vergleichbar ähnlich gute Geologien existieren, wie sehen dann die Nutzungen einer Oberfläche aus? Handelt es sich um Siedlungsgebiete, wie sieht es aus, mit der Frage anderer Schutzwürdiger Interessen wie z.B der Frage von Naturschutz oder Wasserschutzgebieten.

Die Geologie selbst soll die Sicherheit für eine Million Jahre gewährleisten. Das ist natürlich für uns unvorstellbar lange, aber GeologInnen meinen, sie können sagen, wo solche stabilen Formationen existieren, die dazu dienen sollen die Abfälle möglichst tief abgeschlossen sicher zu lagern, damit sie nicht wieder an die Oberfläche kommen können. Allerdings: Wenn eingelagert wird und das Endlager geschlossen ist, ist die Vorgabe, dass diese Abfälle zurückgeholt werden können sollen. Das bedeutet, wenn es neue Erkenntnisse geben sollte, die wirklich eine bessere Situation zur Folge hätten oder die Stoffe wieder genutzt werden können, dann können andere Generationen sagen: Ja, ich gehe da wieder ran. Aber was wir jetzt brauchen, ist eine sichere Lagerung für heute und nicht das Verschieben auf morgen.

Warum buddeln und nicht Lagerhallen aufstellen?

Lagerhallen stehen schon. Das ist ja das Problem, wir haben es mit einer über Jahrzehnte lang praktizierten Art und Weise zu tun, dass man mit der Atomenergie sehenden Auges Müll produziert hat, bei dem niemand weiß, wo er am Ende hinkommen soll. Also hat man Zwischenlager gebaut mit sogenannten Castor-Behältern. Diese bieten für einen begrenzten Zeitraum eine Sicherheit, sind aber keine Dauerlösung, sondern eben eine Zwischenlösung bis wir ein Endlager haben. Die Hoffnung, man könne durch eine dauerhafte Zwischenlagerung die Stoffe besser kontrollieren und andere können mit neuem Wissen mit diesen Stoffen etwas ganz anderes machen, kommt einem ungedeckten Scheck gleich. Und es ist aus meiner Sicht mit keiner Verantwortungsethik zu vereinbaren, dies alles zukünftigen Generationen vor die Tür zu stellen.

Soll es „nur” ein Lager geben? 

Nach den Planungen ist es beabsichtigt ein Endlager für hochradioaktive Abfälle zu errichten, nicht mehrere. Aber wir haben noch andere Abfälle: schwach und mittelradioaktive Abfälle. Dafür wird gerade ein Endlager gebaut bei Salzgitter, das Schacht Konrad. Ziel ist ein Endlager für hochradioaktive Abfälle und wir haben schon ein Endlager in Deutschland, das errichtet wird für schwach- und mittelradioaktive Abfälle.

Um welche Mengen handelt es sich?

Wir haben es bei den hochradioaktiven Abfällen am Ende mit 1900 Castor-Behältern zu tun, in denen die Abfälle lagern. So ein Behälter ist 5-6 Meter hoch und wiegt jeweils über 100 Tonnen.

 

Foto der Ausstellung zur Endlagersuche im Eingangsbereich des Bundesamtes für Sicherheit der nuklearen Entsorgung
suche:x”. Ausstellung zur Endlagersuche im Eingangsbereich des BASE, Foto: Nika M.

Gibt es einen Austausch zur sicheren Entsorgung auf internationaler Ebene?

Ja, das ganze Geschäft dieser Sicherheitsfragen ist so organisiert, dass es einen internationalen Austausch gibt und zwar weltweit. Was aber nicht heißt, dass die Endlagerfrage international gelöst werden kann. Sondern, das Gesetz gibt klar vor, dass Abfälle, die in Deutschland produziert worden sind, auch in Deutschland zu entsorgen sind.

Das Thema ist in verschiedenster Hinsicht von höchster Relevanz. Beim Browsen der Social Media Plattformen fällt allerdings auf: Ob Videos von Pressekonferenzen, Channels des BASE oder der BGE GmbH – die Klickzahlen sind auffällig gering. Nicht nur die Likes, sondern die Aufrufe an sich. Warum steht das Thema nicht so sehr im Mittelpunkt?

Die Zahlen unterstreichen das Grundproblem, das wir haben: Mit dem Ausstiegsbeschluss aus der Atomenergie ist das Thema in der breiten Gesellschaft als erledigt angenommen worden. Es wird aber schnell wieder nach vorne rücken, wenn wir ein Ereignis haben, weltweit, wie es Fukushima gezeigt hat, oder wenn konkrete Regionen sich plötzlich damit auseinandersetzen müssen. Wir erwarten, dass in dem Moment, wo die Regionen konkreter werden, die näher zu betrachten sind, wenn es also nur noch um wenige Flächen geht, dass dann eine ganz andere Aufmerksamkeit in den Regionen entsteht.

Angenommen es kommt zu einem „Ereignis”. Gibt es so etwas wie ein Krisenmanagement?

Alle Nachweise, die mit solchen Anlagen verbunden sind, haben im Vordergrund die Sicherheit im Normalbetrieb. Und dann werden Szenarien betrachtet, die sein können. Das sind einmal Unfälle, aber bei Zwischenlagern auch Szenarien, die früher undenkbar waren, wie terroristische Ereignisse. Was hieße das für die Castor-Behälter in den Zwischenlagern, wenn dort z.B. eine Passagiermaschine mit großen Kerosin-Mengen drauf stürzen würde. Das sind Szenarien, die in die Sicherheitsbetrachtung mit einfließen und die Genehmigungsgrundlage darstellen. Es ist sicherzustellen, dass es zu keinen katastrophalen Auswirkungen kommt. D.h. die Umgebung und die Menschen, die dort leben, dürfen dadurch nicht gefährdet werden.

„Atommüll: Kein Endlager in Sicht!” – Jan Böhmermann hat im März 2021 eine Folge seiner Sendung dem Thema gewidmet. Haben Sie die Folge gesehen?

Ja, natürlich, die habe ich gesehen.

Ist es etwas, worüber sie lachen können? 

Ich finde es absolut wichtig, dass wir versuchen, das Thema in allen Ebenen zu spielen und es auch dort Raum bekommt. Deswegen finde ich es ausgesprochen positiv, dass auch ein Jan Böhmermann das aufgegriffen hat. Man ist natürlich zu dicht dran an dem Thema, um an allen Stellen mitlachen zu können, weil die Ernsthaftigkeit des Themas einen dann doch begleitet. Aber einen Punkt hätte ich mir gewünscht: Dass am Ende eine Einordnung stattgefunden hätte von den Hoffnungen, die Bill Gates aktuell verbreitet, nämlich, dass eine neue Technik in Form von eigentlich alten Technologien die Lösung sein kann. Die Klimafrage wird nicht kurzfristig in irgendeiner Weise positiv beantwortet werden durch neue Reaktoren. Das sind Technikgläubigkeiten, denen ich jedenfalls sehr skeptisch gegenüberstehe. Das hätte einen besseren Abschluss gebildet, als schreiend aus dem Studio zu rennen.

Ihr Schlusswort für heute? 

Einen Punkt möchte ich noch ansprechen. Das ist, dass dieses Aufgabenfeld, was wir vor uns haben, auch hinsichtlich der Professionen, die wir dafür benötigen, eine Zukunftsaufgabe ist. Es sind ganz verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Qualifikationen, die wir dazu brauchen, um dieses Problem wirklich lösen zu können. Es ist also eine Aufgabe, die sehr krisensicher ist, hinsichtlich der Berufsperspektiven. Wir brauchen einfach die Expertise über einen langen Zeitraum und wir brauchen die junge Generation. 

Vielen Dank für Ihre Zeit und das Gespräch.


Weiterführende Links

Website des BASE, Infoseite zur Endlagersuche

Atommüllkarte der BGE mbH, Teilgebiete im Überblick


 

Autorin:

couchFM Mitglied Blanko

Nika M