Erbschaft in DE – eine ökonomische Perspektive – Im Interview mit Prof. Dr. Clemens Fuest

Sollte man Erbschaften nur aus ethischer Perspektive, oder auch aus einer ökonomischen Perspektive betrachten? Welche ökonomischen Argumente gibt es für Erbschaften? Sollten nicht alle von den Vorteilen von Erbschaften profitieren und wäre dementsprechend ein “Erbe für Alle” eine gute Idee? Und sind Vermögensungleichheiten überhaupt ein Problem? Diese Fragen haben wir Prof. Dr. Clemens Fuest gestellt. Er ist Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und Präsident des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung.


GESPRÄCHSSTOFF

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Derzeit hört man viele Stimmen, welche sich für eine höhere Besteuerung oder gar ein komplettes Abschaffen von Erbschaften aussprechen. Was halten Sie davon?

“Als Ökonom sagt man: Es gibt eine ethische Seite – also die Gerechtigkeitsfrage – und eine effizienzorientierte Seite. Von der ethischen Seite aus kann man sagen: Viele Leute sind der Meinung, dass Erbschaften ungerecht sind, weil da dem Erben etwas zukommt, wofür er nicht gearbeitet hat. Andere Menschen sagen allerdings, es wäre ungerecht Erbschaften einzuschränken oder überhaupt auch nur zu besteuern, weil es ein Grundrecht jedes Menschen ist, der nächsten Generation, seinen Kindern, etwas weiter zu geben. Ich glaube, in diesem Spannungsfeld bewegen wir uns. Wie auch immer man die Gerechtigkeitsfrage letztendlich beurteilt, kann man Fragen: Was sind denn die Folgen, wenn man Erbschaften verbietet? Das hängt stark davon ab, warum Menschen eigentlich etwas vererben. Wenn Erbschaften reiner Zufall sind, dann kann man Erbschaften verbieten, ohne ökonomischen Schaden anzurichten, denn dann gibt es keine Ausweichreaktionen. Jetzt gibt es aber ziemlich viele Untersuchungen, die überzeugend zeigen, dass Menschen nicht zufällig vererben, sondern Menschen bauen Dinge auf, weil sie sie ihren Kindern oder ihren Enkeln übergeben können. Wenn man jetzt Erbschaften verbietet oder sehr hoch besteuert, dann verändern Menschen ihr Verhalten.”

Ist die Erbschaftssteuer ein gutes Instrument, um gegen die wachsende Vermögensungleichheit in Deutschland vorzugehen?

“Wenn man annimmt, dass Eltern für ihre Kinder arbeiten und dass dies Erbschaften verursacht und erklärt, bedeutet dies, dass Ungleichheit, die einmal da ist, sich verstärkt; dass also reiche Leute Wert darauf legen, ihren Kindern etwas zu übertragen. Es gibt auch Studien, die sagen, dass kleine Erbschaften eher einen angleichenden Effekt haben, weil dann Leute, die selber nicht so viel haben, etwas erben. Große Erbschaften führen aber tendenziell eher dazu, dass die Vermögensungleichheit zunimmt. Die Erbschaftssteuer ist in der Tat ein Instrument, um der Konzentration von Vermögen entgegenzuwirken.”

 

Das komplette Interview könnt ihr hier nachhören.

 

 


Autor:

Ray Haase