“Neustart Kultur”

Was bringt das Förderprogramm der Bundesregierung wirklich?

 

Über vier Milliarden Euro hat die Bundesregierung für einen Neustart Kultur bereitgestellt. Unter dem Motto “Neustart Kultur” sollte es schon bald wieder losgehen. Viele Auflagen und Lockdowns später fragt man sich nun, wie es der Kulturbranche nun geht, ob das Geld etwas gebracht hat oder ob es überhaupt angekommen ist.


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Mit den Corona-Maßnahmen letztes Jahr kam auch der Kulturlockdown.  Kinos, Theatern und Co. ging langsam das Geld aus und ließ uns alle daran zweifeln, ob sie überhaupt jemals wieder aufmachen würden. Freien Kulturschaffenden wie Schauspieler:innen, Tänzer:innen und Musiker:innen fiel die Lebensgrundlage weg. Einige Monate später sollte ein staatliches Förderprogramm mit über 4,5 Milliarden Euro und einer  Vielzahl an Ansätzen zur Rettung kommen. Das Schauspieler- und Künstlerpaar Vanessa Frankenbach und Dominik Penschek bringt nun Licht in die dunkle Kulturecke. Das Schauspieler- und Künstlerpaar hat die Lockdowns am eigenen Leib gespürt. Im Interview mit couchFM geben sie Einblicke in ihre Erfahrungen mit dem Förderprogramm “Neustart Kultur”. Zum Beispiel, dass das Fördergeld eventuell zurückgezahlt werden muss, wenn man doch einen Auftrag bekommt: 

“Ich hatte knapp 5800 Euro für sechs Monate zum Leben bekommen. Dann hatte ich in der Zeit zwei Monate gearbeitet als Schauspielerin bzw. als Sprecherin. Das nie wirklich viel. Ich mein das sind mal hier 200 Euro, mal dort 200 Euro. Aber das muss alles am Ende gegengerechnet werden. Das heißt nächstes Jahr muss ich jetzt bis zu 2000 Euro zurückzahlen”, erzählt Vanessa im Interview mit couchFM. 

Die Finanzspritze der Bundesregierung hat also soweit ausgereicht, dass sich das Schauspieler und Künstlerpaar das eigene Leben finanzieren konnte. Aber so wirklich bereit für einen Neustart waren Vanessa und Dominik dann doch noch nicht. Den beiden fehlt noch etwas anderes, um wirklich wieder kreativ arbeiten zu können und Kultur voran zu bringen.

“Für den Moment ist die Sicherheit da, dass man denkt: Okay ich kann jetzt davon zwei oder drei Monate leben, mein Unterhalt davon finanzieren. Aber irgendwie ist immer im Hinterkopf, ja wer weiß was ich davon an Summe noch zurückzahlen muss” berichtet Vanessa weiter.   

Hat das Programm die Kultur wieder angekurbelt?

Dominik erklärt dazu noch, dass er sich zwar über die Förderung freut, doch dass sie eigentlich an einem falschen Punkt ansetzt: “Hat es die Kultur wieder angekurbelt? Ganz klar überhaupt nicht. Weil wir als Schauspieler nicht eigenständig die Leistung erbringen können. [Also ohne ein geöffnetes Theater oder Kino Schauspielen können.] Es bringt mir nichts, dass ich 5000 Euro einnehme, aber dafür 20 Theater dicht machen. Dann habe ich überhaupt nichts davon. Ich glaube der Gedanke ist wie in der Marktwirtschaft, wir werfen dort Geld rein und dann verteilt sich das wieder auf den Markt. So wie, “Ich geb Geld in Deutschland aus und dann verteilt sich das wieder auf den Haushalt. Das ist halt super fehlgeschlagen, weil die 6000 Euro die ich bekomme, kann ich ja gar nicht so ausgeben, dass sie meinem Arbeitgeber zu Gute kommen. Wir haben das nämlich hauptsächlich zum Leben ausgegeben. Für Miete und Lebensmittel. Weil das unsere einzige Einnahmequelle war.”

Weiter erklärt er auch, dass man seiner Meinung nach eher Spielstätten und Veranstaltungsorte besser unterstützen hätte sollen: “Dass man sagt, Hygienemaßnahmen kann man abschreiben. [Auflagen], die [die Regierung vorgibt], nicht zusätzliche Kosten entstehen lassen. Einen Neustart Kultur mit 5000 Euro, damit ich einen Monolog erlernen kann. Davon habe ich nichts, wenn ich den nirgendswo verkaufen kann.”

Denn das schlägt sich nicht nur in seiner privaten Auftragslage nieder, sondern hat auch Auswirkungen auf die Weise wie Theater und Co. mit ihren Schauspieler:innen notgedrungen umgehen. Welche wiederum dadurch ihren Anspruch auf Sozialleistungen wie z.B. Arbeitslosengeld I verlieren und so Hartz IV beantragen müssen. 

“Mich ärgert es wirklich, dass wir die Engagements nicht antreten können. Nicht jedes Theater hat uns in Kurzarbeit angestellt. Du hast nichts Falsch gemacht aber verlierst trotzdem diesen Anspruch. Dadurch habe ich unglaublich viel Geld verloren. Und da gibt es so gar kein Reglement das uns entgegen kommt.”

Zwar wurde die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I um 3 Monate verlängert. Doch die beiden erklären auch, dass es bei so vielen Lockdowns und der weiterhin schwierigen Auftragslage gar nicht mehr möglich sei, erneut ein Anspruch auf die Sozialleistung aufzubauen. Generell haben die beiden das Gefühl, dass die Hilfen eigentlich viel tiefgreifender ansetzen sollten. Die jetzigen Förderungen fühlten sich eher an wie ein Alibi. 

“Damit man sagen kann, ich habe etwas gemacht. Aber ich hab gar nicht das Gefühl, es war das Interesse daran Kultur zu helfen. Weil es ist ja ein wichtiger Bestandteil, wir lesen, hören Musik, Netflix jeden Tag. Aber wirklich Kultur zu helfen, dann würde man das ja an der Wurzel nehmen. Ähnlich wie mit dem Gesundheitssystem. Wir versuchen nicht das von Vorne zu erneuern. Nein. Wir versuchen nur Symptomatiken zu bekämpfen.”

 


Weiterführende Links

Informationen zum Hilfsprogramm “Neustart Kultur” der Bundesregierung findest du hier.


Autor:

Julian