Feminismus und Tinder – Ein Widerspruch?

Rollenklischees im Online-Dating

Das moderne Dating verändert sich. Gerade in Zeiten der Pandemie sind Online-Dating Plattformen besonders beliebt. „Tinder“ ist dabei wohl die bekannteste Plattform. Gefällt mir? Swipe rechts. Wie modern! Doch ist es wirklich so modern, oder verfolgen uns Rollenklischees auch dort? Lässt sich das moderne Online-Dating mit Feminismus vereinbaren?

 


GESPRÄCHSSTOFF

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Joanna war in den letzten zwei Jahren auf verschiedenen Tinder-Dates. Eigentlich ist sie Feministin, doch auf ihren Dates hat sie gemerkt, dass sie immer wieder in heteronormative Rollenklischees zurückfällt. Und damit ist sie nicht allein. In ihrer Kolumne “Tinder vs. Feminismus” bei der UnAuf schreibt sie über ihre Erfahrungen und stellt die Frage, ob Feminismus und Online-Dating im Konflikt stehen. Kann man Feministin sein, wenn man sich den ganzen Tag über Männer und ihr Antwortverhalten den Kopf zerbricht? Und ist es verwerflich, wenn man vielleicht auch einfach mal keine Lust hat, gegen die ständigen Rollenklischees zu kämpfen?


Das perfekte Date


Besonders ein Date, sagt sie, hat ihren Denkprozess ausgelöst. Tom, so nennt sie ihn, hat das ganze Date dominiert. Joanna hat er im Gespräch keinen Platz gegeben. Sie war sich sicher, von Tom nie wieder etwas zu hören, doch er fand das Date schön und wollte sie wiedersehen. Joanna war überrascht und geschockt, dass er sich so scheinbar ein gelungenes Date vorstellt. Daraufhin hat sie über vergangene Dates noch einmal nachgedacht und fast bei jedem ähnliche Strukturen gefunden.
Als sie sich erneut mit Tom traf, sagte sie plötzlich mehr, wollte sich nicht mehr in eine untergeordnete Rolle zurückdrängen lassen. Ihrem Gegenüber fiel das negativ auf. Doch woran liegt es, dass es bei Dates noch immer so feste Rollenklischees gibt?


Ein “echter” Gentleman


Rollenklischees sind strukturell. So strukturell, dass sie uns gar nicht immer auffallen. Ein Date von Joanna hat festgestellt, dass sie als erste ins Restaurant gegangen ist. Ihr selbst ist es nicht aufgefallen. Zuerst wird immer an plakative Sachen wie: „Wer schreibt zuerst?“ oder „Wer zahlt?“ gedacht, doch Rollenklischees sitzen sehr viel tiefer.

Joanna meint: Beide Seiten haben das internalisiert. Und wenn sie sich wie beim zweiten Date mit Tom vornimmt, mehr Raum einzunehmen, dann kann er seine Rolle auch nicht mehr ausleben und pusht erst recht dagegen. Und weil beide Seiten ihre Rollen so verinnerlicht haben, ist es manchmal schwer, sich davon zu lösen. Denn anstatt einfach zu einem Date zu gehen und zu sein wer man ist, muss man die eigene Position immer wieder neu aushandeln. Und das ist auf Dauer einfach anstrengend.
Auch wenn sie es für wichtig hält, dagegen anzureden, hat sie selbst zwei Jahre später nicht immer die Kraft dazu. Es ist also auch mal okay zu sagen “Nee, heute hab‘ ich keine Lust, jetzt hier irgendwie gegen Sexismus zu kämpfen”.


Hier geht es zur Kolumne:

Joanna hat seit dem Interview noch weitere Teile veröffentlicht. Es lohnt sich, vorbeizuschauen und ihre Kolumne zu lesen. Hier sind alle Teile verlinkt:
Tinder vs. Feminismus: Rollenklischees nach links gewischt
Tinder vs. Feminismus: Danke, dass du’s mir erklärt hast
Tinder vs. Feminismus: Eine Ode an die Bequemlichkeit
Tinder vs. Feminismus: Voll mein Typ
Tinder vs. Feminismus: Es gibt sie noch, die echten Männer
Tinder vs. Feminismus: Empowerment oder versteckte Fesseln?


Autorin:

Kaja