Astrologie aus linguistischer Perspektive

Horoskope schreiben – Kunst und Handwerk zugleich

Die Sterne lügen nicht. Das stimmt tatsächlich! Linguistin Katja Furthmann hat herausgefunden, dass Horoskope tatsächlich so gut wie nie lügen. Aber eben auch so gut wie nie die Wahrheit sagen. Ihre Kunst ist es, das beides zu vereinen. Sie wollen erreichen, dass sich einzelne Menschen möglichst individuell mit möglichst allgemeinen Aussagen identifizieren.


GESPRÄCHSTOFF

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“Horoskope müssen so allgemein wie möglich gehalten werden und gleichzeitig möglichst präzise erscheinen, dass sich jeder darin wiedererkennt. Das ist Kunst und Handwerk zugleich.”

Dafür, wie das erreicht wird, kann Katja Furthmann einige Beispiele geben.

Regenschirmwörter

Da wären zum Beispiel sogenannte “Regenschirmwörter” wie im Satz “Wichtig ist es hier, sich bewusst zu machen, dass Ihnen niemand etwas Böses will.”
Furthmann: “Die Sprache von Horoskopen gleich und im Grunde einem Regenschirm, der sich über unzählige individuelle Lebenssituation spannt. ‘Etwas Böses’, ‘das Böse’, kann ganz Verschiedenes aussagen. Genauso wie ‘Problem’, ‘Angelegenheit’, ‘Entscheidung’ oder ‘Konflikt’. Diese Wörter sind so allgemein gehalten, dass jeder für sich den Bezug herstellen muss: Was bedeutet ‘das Böse’ jetzt?

Oder das ständige aufzeigen von Wegen zwischen zwei Extremen. Da ist immer gewährleistet, dass man sich irgendwo dazwischen wiederfindet. So wie hier: “Ein richtig guter Mix! Saturn gibt den Takt vor und der verrät: Du findest eine gute Balance aus Nähe und Freiraum, Action und Ruhephasen sowie Innovation und Bewährtem.”
Furthmann: “Hier ist der ‘Topos der Mäßigung’ par excellence auf den Punkt gebracht. Du findest den richtigen Mix aus dem einen Extrem und dem anderen Extrem – offener kann man es nicht formulieren. Jeder muss hier seinen Bereich abstecken und das kann nicht widerlegt werden.”

Und natürlich Pseudowissenschaft. Horoskope klingen oft fachsprachlich, sagen aber gar nichts aus. So wollen sie zumindest glaubwürdig wirken, wenn sie vom “29. anaretischen via-combusta-Grad der Waage” sprechen, der auch als “der brennende Weg” bezeichnet wird.
Furthmann: “Zum einen ist der Mensch anfällig für das Mystische und die Sterne, und zum anderen denken wir heute gern in Ursachen, kausal, also wissenschaftsbasiert: Wenn Jupiter das sagt, dann verhalte ich mich jetzt so und so. Diese beiden Dinge kommen in der pseudowissenschaftlichen Evidenz zum Tragen.”

Der Streich der Psyche

Das Ganze würde nicht funktionieren, wenn unsere Psyche uns nicht entsprechende Streiche spielen würde. Der wichtigste Streich im Bezug auf Horoskope ist der “Barnum-Effekt”.
Furthmann: „Wenn man jemandem sagt: ‘Dieser Text speziell für dich geschrieben worden, nach deinen persönlichen Angaben’, dann ist man geneigt, ihm auch tatsächlich zu glauben. Man hat einmal ein Massenmörder-Horoskop erstellt, nach seinen Geburtsaspekten, und dann hat man dieses Horoskop vielen Leuten vorgelegt. So gut wie alle haben sich darin wiedererkannt.“

Das zeigt eindrucksvoll: Die Sprache hat mehr Macht über unser Leben als die Sterne und Horoskope sind das beste Beispiel dafür. Also keine Panik, wenn ihr das nächste Mal nach eurem Aszendenten gefragt werdet. Erzähl der:dem Gegenüber einfach was vom Regenschirm.

 


Autor:

Valentin