Alternative Bestattungsunternehmen

“Alternativ bestatten”, was bedeutet das?

Was läuft eigentlich falsch bei konventionellen Bestattungsunternehmen, dass es alternative Bestattungsunternehmen, wie es sie beispielsweise in Berlin immer mehr gibt, braucht? Was kann man überhaupt anders machen als Bestatter*in? Über diese Fragen hat Lucia mit Leo Ritz und Hendrik Thiele gesprochen. Die beiden haben im Frühjahr 2021 gemeinsam das alternative Bestattungsunternehmen Junimond gegründet.


GESPRÄCHSTOFF

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Ein schlichter weißer Raum mit Echtholztisch und ein paar Vasen mit Pampasgras in der Ecke. Das Büro von Junimond Bestattungen wirkt ästhetisch, wenn nicht sogar instagram-tauglich. Doch in der Ecke steht ein Sarg aus hellem Holz. Das stört das Bild. Ist das der Look von alternativen Bestattungen? Werden hier etwa ausgefallene Beerdigungen geplant?

“Ich glaube ganz fest daran, dass Ästhetik im Sterben, Tod und Trauer eine große Rolle spielt.”

In Berlin gibt es inzwischen knapp ein Dutzend solcher sogenannten alternativen Bestattungsunternehmen. Sie haben ausgefallene Namen wie Das Fährhaus oder The Funeralists und ihr Erscheinungsbild weicht ab von dem traditioneller Bestattungsunternehmen, bei denen man nur mutmaßen kann, wie es hinter den Lamellenvorhängen aussieht. Leo erzählt, dass für sie die Ästhetik bei Sterben, Tod und Trauer eine große Rolle spielt. So würde der Wert eines Menschen verdeutlicht, denn man sähe, dass sich Mühe gegeben wurde.

Auch das zweite Klischee wird gleich zurechtgerückt. So ausgefallen wie vermutet sind die Beerdigungen, die hier geplant werden gar nicht, denn natürlich können auch Bestattungsunternehmen nur die Bestattungsformen anbieten, die in Deutschland rechtlich zulässig sind, sodass es oft auf eine klassische Bestattung auf dem Friedhof hinausläuft.

Schnell wird klar: das Alternative an alternativen Bestattungsunternehmen ist nicht “der Look”, sondern die Herangehensweise an die Begleitung derjenigen, die einen Todesfall erlebt haben. Für Junimond Bestattungen, aber auch für andere alternative Bestattungsunternehmen in Berlin steht die Begleitung der Zugehörigen im Vordergrund.

“Wir möchten Menschen in ihrer Trauer mündig machen.”

Doch was machen eigentlich konventionelle Bestatter*innen? Der Bundesverband Deutscher Bestatter nennt die Überführung der verstorbenen Person, die Trauerbegleitung der Angehörigen und – falls gewünscht – auch die Organisation der Trauerfeier und/oder Beerdigung als die drei Hauptaufgaben des Bestatter*innenberufs.

Leo und Hendrik von Junimond bemängeln nicht die Aufgaben traditioneller Bestatter*innen an sich, sondern vor allem die Geschwindigkeit, in der Entscheidungen nach einem Todesfall getroffen werden müssen. Diese überfordere die Angehörigen in der Regel. Außerdem würden Aufgaben, wie beispielsweise die Überführung von Verstorbenen oft nicht von den Personen übernommen, die beispielsweise die Trauerfeier mit den Angehörigen planen. Die beiden übernehmen deshalb all diese Schritte selbst. Leo sagt scherzhaft, dass sie Zugehörige “von Anfang bis Ende”, “von Sterbebett bis Grabstein” begleiten. So könnten sie Angehörige über alle Vorgänge informieren und an manchen sogar teilhaben lassen. Sie wollen Zugehörigen dabei helfen bestmöglich mit ihrem individuellen Verlust umzugehen und sie in gewisser Weise in ihrer Trauer “enablen”, also befähigen. Sie wollen Menschen in ihrer Trauer mündig machen, wie Hendrik es außerdem ausdrückt

Denn Bestattung ist nicht gleich Bestattung und Trauer ist nicht gleich Trauer. Die beiden sagen im Interview, dass Sie jeder und jedem Angehörigen mit einem metaphorischen weißen Blatt begegnen möchten, denn jeder Verlust und der Umgang damit sei unterschiedlich. Dieses weiße Blatt wird dann gemeinsam mit den Angehörigen befüllt.

Hund im Zimmer mit Sarkofag
Leos Hund Taxi liegt vor einem bemalten Sarg im Büro von Junimond Bestattungen in Berlin-Friedrichshain | Foto: Junimond Bestattungen

Außerdem arbeiten Leo und Hendrik daran, wortwörtlich Berührungsängste abzubauen, indem sie Zugehörigen anbieten beim Waschen oder Anziehen der Verstorbenen teilzuhaben oder selbst mitzuhelfen. Auch neben ihrer Arbeit als Bestatter*innen arbeiten die beiden daran, das Thema Stück für Stück nahbarer zu machen, indem sie beispielsweise in einem Instagram-Format Menschen dazu befragen, was sie gerne mit in den Sarg nehmen würden oder was eines Tages einmal auf ihrem Grabstein stehen soll. Auch in diesem Format zeigt sich, wie individuell der Umgang mit dem Thema Tod ist.

 

Weiterführende Informationen

Hier findet ihr die Studie zum Umgang mit Tod und Trauer unter 16-30-Jährigen aus dem Beitrag.
Hier findet ihr allgemeine Infos zum Beruf des Bestatters/ der Bestatterin.
Und hier könnt ihr euch ansehen, wie Leo Ritz und Hendrik Thiele Tod und Trauer instagram-tauglich machen.

 

 


Autorin:

couchie Lucia

Lucia