“Wir zahlen nicht für eure Krise!”

Vor dem großen Warnstreik demonstrieren Gewerkschaften und Initiativen in Berlin

Vom Brandenburger Tor bis zur Leipziger Straße: An die tausend Menschen haben am Wochenende Unterstützung für die Forderungen der Gewerkschaften im Tarifkonflikt gezeigt. Unsere couchFM-Reporterin Pauline war vor Ort.


GESPRÄCHSTOFF

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Nach Angaben des Veranstalters haben 1.000 Menschen an der von ver.di und der EVG organisierten Demonstration teilgenommen.| Foto: Pauline Pieper


Ein paar Hundert Menschen stehen schon vor dem Brandenburger Tor und jubeln den Moderatoren der Auftaktkundgebung zu. Die EVG – die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft – hat gemeinsam mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und dem Berliner Mieterverein zu einer Demonstration aufgerufen. Das Motto: „Wir zahlen nicht für eure Krise!“. Der Protestmarsch soll in den Streik einstimmen, der zwei Tage später geplant ist – und der den Verkehr in ganz Deutschland lahm legen soll.
Mit dem Streik wollen die Gewerkschaften höhere Löhne durchsetzen: 10,5 Prozent mehr, dabei mindestens ein Plus von 500 Euro im Monat, für ein Jahr. Das fordert ver.di für die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes. Die EVG pocht auf 650 Euro oder 12 Prozent mehr Lohn.

Flyer mit dem Aufruf zur Demonstration | Foto: Pauline Pieper

“Es geht um viel”

Man brauche die Lohnerhöhung, um die Inflation auszugleichen, sagen die Gewerkschaften. Völlig überzogen, finden die Arbeitgeber. Ein schwieriger Konflikt, bei dem die Arbeitnehmer die Unterstützung der Gesellschaft brauchen, erklärt Mitorganisatorin Dana Lützckendorf von ver.di am Rande der Demonstration. “Es geht um viel”, sagt sie. Denn um die Inflation auszugleichen, bedürfe es hoher Beträge. Die Gewerkschaft sei sich bewusst, dass es schwierig werde, die Forderungen durchzusetzen. Um die Solidarität der Gesellschaft zu gewinnen, habe ver.di deshalb ein “Solidaritätsbündnis” mit anderen Initiativen gebildet und die gemeinsame Demonstration geplant.

So leuchtet zwischen den vielen Fahnen von EVG und ver.di zum Beispiel das lila-gelbe Banner der Kampagne “Deutsche Wohnen und Co. enteignen”. Auch Mitglieder der Bewegung #ichbinarmutsbetroffen sind da. Sie setzen sich besonders für erwerbslose Menschen ein, stellen sich aber auch an die Seite derer, die gerade für höhere Löhne kämpfen. Die Aktivistin Susanne Hansen erklärt, dass Sozialleistungen an Löhne gebunden seien. Wenn die Gewerkschaften ihre Forderungen im Tarifkonflikt durchsetzen, würde das auch zu mehr Geld für Empfänger von Bürgergeld führen. Wichtiger sei ihr aber, Solidarität zu zeigen, sodass “die dann auch für uns dabei sind.”

Als sich der Demonstrationszug nach der Auftaktkundgebung in Bewegung setzt, füllt sich die Straße immer mehr. 5.000 Menschen waren angemeldet, nach Angaben des Veranstalters sind an die 1.000 gekommen. Nach dem angekündigten Streik gefragt, äußert hier niemand Unmut. Wenn man sich über ausfallende Bahnen und Busse beschwert, sollte man sich “über die Arbeitgeberinnen beschweren und nicht über diejenigen, die faire Löhne einfordern”, sagt eine Demonstrantin.

Wut über ausbleibende Lohnerhöhungen

Viele der Demonstrierenden spüren die Inflation am eigenen Leib und sind wütend, dass Energiekonzerne Profite machen, aber Reallohnerhöhungen ausbleiben. Ein großes selbstgeschriebenes Banner ragt hervor, auf dem steht “Unsere Kraft ist euer Profit, Löhne rauf”. Sie habe das Banner selbst entworfen, erklärt eine blonde Frau mittleren Alters. Arbeit müsse besser bezahlt werden. Es könne einfach nicht sein, dass viele in Vollzeit arbeiten und trotzdem noch Unterstützungsleistungen beantragen müssten.

Arbeit müsse besser bezahlt werden, fordert die Verfasserin dieses Banners | Foto: Pauline Pieper

Vom Brandenburger Tor bis zur Leipziger Straße, vor die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, zieht die Demonstration – und trotzt musikalisch humorvoll dem kurzzeitig einsetzenden Schneeregen mit “It’s raining men” von den Weather Girls. Die Stimmung ist kämpferisch an diesem Mittag. Es liegt ein Gefühl von gemeinsamer Stärke in der Luft, auch weil Gewerkschaften und zivile Akteure Seite an Seite demonstrieren. Bleibt abzuwarten, ob der Tarifkonflikt in ihrem Sinne ausgehen wird.

Weiterführende Informationen

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di auf Instagram: //www.instagram.com/wirsindverdi/

Die Verkehrsgewerkschaft EVG auf Instagram: //www.instagram.com/deineevg/

Die Initiative Deutsche Wohnen und Co. enteignen auf Instagram: //www.instagram.com/dw_enteignen/

Die Initiative #ichbinarmutsbetroffen auf Instagram: //www.instagram.com/armutsbetroffen/


Autorin:

Portait: Pauline Pieper

Pauline