Eine kleine Geschichte unserer Fluchkultur

Sex, Gott und Exkremente

Mist, Scheiße, Kacke. Wenn das Internet mal wieder hängt und die Nerven blank liegen, scheinen sie die einzige Möglichkeit, um Druck abzulassen. Die Rede ist von Flüchen. Doch warum sind die deutschen Schimpfwörter eigentlich im Stadium der Fäkalsprache steckengeblieben?


CouchFM Logo der Sendungsreihe "Gesprächsstoff". Ikonischer Fernsehturm vor Skyline in Mint und Grau.

GESPRÄCHSTOFF

 

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Schon die Brüder Grimm hielten in ihrem Deutschen Wörterbuch fest, dass die Geschäfte der Zeugung und Entleerung vor anderen Augen und Ohren zu (ver)bergen seien und bezeichneten gegenteiliges Verhalten als unzüchtig. Im deutschsprachigen Raum wurde sich über den grimmsche Verhaltenskodex hinweggesetzt, indem mit skatologischen Begriffen geflucht wird, also Wörtern, die sich rund um die Darmentleerung drehen. Während in religiös geprägten Gegenden das Fluchverhalten von Gotteslästereien durchzogen ist, sind Flüche auf italienisch und französisch weitaus sexualisierter. So folgt in Italien auf eine Frustration ein lauter Ausruf des männlichen Glieds und in Frankreich ein putain – zu deutsch “Schlampe”.

Was in der Sprachwissenschaft als kathartischer Akt bezeichnet wird, ist in der Psychologie längst erwiesen: lautes Fluchen geht über das Abreagieren negativer Emotionen hinaus, denn es erhöht auch die Schmerztoleranz und kann so kurzzeitiges Leiden erträglicher machen. Auch die Brüder Grimm stellten fest, dass besondere Situationen nach besonderen Lösungen verlangen und drückten in einigen Fällen nochmal ein Auge zu. Anders als in den USA – denn hier wird unzüchtige Sprache in Radio und Fernsehen durch einen lauten Piepton zensiert.


 

Autorin:

Lena Marie Reimers

Lena Marie Reimers