Gangsta Rap


 

Woher kommt die Faszination?

Sex, Protz und dicke Schlitten. Gangsta Rap ist nicht bekannt für seine tiefgründigen Texte, im Gegenteil: Frauenfeindlichkeit, Drogenverherrlichung und Kriminalität gehören zu den Hauptthemen und werden betont mit einem Hauch von Aggressivität. Dennoch ist es das kommerziell erfolgreichste Subgenre des Hip-Hops und erobert die Charts weltweit. Aber, wenn diese Texte so problematisch sind, woher kommt die Faszination?

 

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Unter Gangsta Rap versteht man gewaltorientierten Sprechgesang, der sich ausschließlich auf den kriminellen Bereich des Lebens konzentriert und dabei einzelne Aspekte wie Drogenhandel, Zuhälterei und Mord glorifiziert. Charakteristisch dafür sind Melodien, die melancholisch, düster oder bedrohlich wirken.

 

Rebellion statt klassischer Konvention

„Heute geht es beim Gangsta Rap vor allem um Rebellion“, meint Kathrin Bower, Professorin für Deutschstudien und Expertin für deutschen Rap. „Das krasse Feiern von materiellem Besitz, Frauenfeindlichkeit und Gewalt im Gangsta Rap ist eine verspätete Manifestation einer allgemeinen Rebellion gegen die Werte der Mittelklasse, die etablierte Gesellschaft und die politische Korrektheit.“ sagt Kathrin in einem Interview bei der Deutschen Welle.

 

 

Verarbeitung des sozialen Aufstiegs durch Texte

Für die Gangsta Rapper ist Musik ein Weg, um aus der Masse herauszustechen, um zu zeigen, wer man ist und dass man jemand ist. Die meisten von ihnen haben familiäre Wurzeln in Migrantengruppen, die in den späten 1950er Jahren nach Deutschland kamen. Als sogenannte „Gastarbeiter“ standen diese sozial gesehen auf der unteren Stufe der Gesellschaft. Und nun feiern sie ihren Erfolg und verarbeiten ihren Erfolg mit Texten, in denen sie z.B. über ihre Luxusgüter schreiben. Dabei verzerren sie auch oft die Realität. Sie verharmlosen und übertreiben in ihren Texten gleichermaßen, aber berichten auch oft von eigenen traumatischen Erfahrungen.

 

Gefahr und Problematik der Texte

Gefährliche Dinge haben oftmals einen gewissen Reiz. Besonders Jugendliche wollen sich ausprobieren, Grenzen überschreiten und auch so ‚cool’ sein wie ihre Vorbilder. Doch sind die Gangsta Rapper auch im echten Leben die waffentragenden, drogendealenden und gewaltbereiten Normbrecher, für die sie sich in ihrer Musik ausgeben? Gangsta Rap ist sicher faszinierend, weil Hörer nie genau wissen, was Schein und was Sein ist. Es kann auch sehr problematisch werden. Ein Beispiel dafür ist der Song “Tilidin” von Samra und Capital Bra. In dem Song rappen beide über den Drogenmissbrauch von dem Opioid Tilidin und von Alkohol, was sie konsumieren, um ihre Alltagssorgen zu vergessen. Capital Bra rappt öfter über seinen Tilidinkonsum. In insgesamt 16 Songs widmet er sich dem Medikament Tilidin. Das Reportageformat STRG_F (NDR/funk) hatte eigenen Angaben zufolge Daten der gesetzlichen Krankenkassen abgefragt: Demnach wurden 2017 noch 100.000 definierte Tagesdosen Tilidin für 15- bis 20-Jährige verschrieben, 2019 dann mehr als drei Millionen – eine Steigerung um das 30-Fache. Auch wenn der Zusammenhang zwischen Deutschrap und dem ansteigenden Konsum an Tilidin nicht eindeutig bewiesen ist, ist es auffällig, dass immer mehr Jugendliche zu Drogen greifen, die sie aus Songtexten kennen. Hört man Songs wie diese, fragt man sich schnell, wie es denn wäre, selber mal die ein oder andere Droge auszuprobieren. Wahrscheinlich hören viele, die ähnlich verzweifelt waren oder es noch sind, diese Musik, weil sie sich mit dieser identifizieren und abheben können.

 

 

Faszination trotz der Problematik

Eine Antwort für die Faszination trotz der problematischen Texte ist auch, dass vieles nicht echt ist, sondern Produkt künstlerischer Freiheit. So erwähnt Capital Bra in einer Story, dass er keinen zu Drogen verleiten möchte und er nur eine Kunstfigur darstelle in seiner Musik, um die Leute zu unterhalten, was offensichtlich funktioniert. Es geht viel um Drogen und Gewalt, aber für viele ist Musik wie eine andere Welt, die ein bestimmtes Gefühl hinterlässt. Bei Gangsta Rap ist es vor allem das krasse Selbstbewusstsein und das empowernde Gefühl, dass man alles schaffen und machen kann und keine Grenzen gegeben sind – ganz egal, wie man aufgewachsen ist und was andere denken.

 


Weiterführende Links

Interview mit Kathrin Bower (Aggressiv, verletzend, erfolgreich: Warum kommt “Gangsta Rap” so gut an? | Kultur | DW | 22.04.2018

Capital Bra im Interview (Capital Bra über Trend-Droge Tilidin: „Ich schäme mich!“ (musikexpress.de)

Capital Bra Story über Kunstifigur (Capital Bra spricht über Drogenvergangenheit: “Bin auch nicht fehlerfrei” (watson.de))


Autorin:

Melda Özsoy