Themensendung: Pflege in Deutschland

Weißt du eigentlich, wie du mal gepflegt werden willst?

So einfach ist diese Frage gar nicht zu beantworten, denn sie hängt davon ab, wie viele Leute weiterhin in der Pflege arbeiten möchten. Wir haben uns in dieser Themensendung deshalb gefragt, wie es eigentlich den Auszubildenden in der Pflege geht, wer die Lücken in unserem Gesundheitssystem füllt, wie Pflegekräfte bessere Arbeitsbedingungen fordern und wie politisch aktiv Hebammen sind.


THEMENSENDUNG

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Weißt du eigentlich, wie du mal gepflegt werden willst? Früher oder später werden die meisten von uns in der Obhut von Pflegenden landen. Ob im Krankenhaus, im Altenheim oder bei einer Hebamme. Spätestens seit Beginn der Pandemie ist den meisten von uns aber klar geworden: Die Pflege ist im Notstand. Vielleicht können wir also gar nicht so gepflegt werden, wie wir gerne würden. Dem Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) zufolge fehlten 2021 mindestens 35.000 Fachkräfte in der Pflege. Die Präsidentin des Deutschen Pflegerats, Christine Vogler, prognostiziert, dass dieser Mangel bis 2030 auf 500.000 ansteigen wird. In der Themensendung “Pflege in Deutschland” geben wir deshalb Pflegenden eine Stimme und fragen uns, wie die Zukunft der Pflege aussehen könnte.


Deshalb haben sich couchFM Reporter:innen Maira und Fabian mit Auszubildenden in der Pflege unterhalten, denn jede:r dritte Auszubildende bricht die Ausbildung ab. Was tun, wenn der Pflege ihr Nachwuchs davon läuft? Leonie hat für uns eine Lehrstelle im Gesundheitssystem betrachtet, denn wo gehen eigentlich die Menschen hin, die im Gesundheitssystem keinen Platz finden. Sie hat dafür das Heilehaus in Berlin-Kreuzberg besucht. Clara hat mit einem Vertreter der Berliner Krankenhausbewegung über den Streik 2021 und die Forderungen des Pflege- und Klinikpersonals gesprochen. Lucia hat mit studierenden und praktizierenden Hebammen über ihre Arbeitsbedingungen und die Schwierigkeiten des politischen Aktivismus gesprochen. Wie wird man politisch und gesellschaftlich gehört, wenn man ein kleiner Berufsstand ist?

 


Pflegeausbildung

In Deutschland fehlen rund 200.000 Pflegekräfte, bis 2030 sollen es laut dem Deutschen Pflegerat sogar eine halbe Million sein. Um das zu ändern hat die Bundesregierung 2019 die sogenannte Ausbildungsoffensive Pflege gestartet, um die Bedingungen der zukünftigen Pfleger:innen zu verbessern und wieder mehr Menschen für die Ausbildung zu gewinnen.
Aber: wie viel hat das gebracht? Anja ist selber Pflege Auszubildende. Sie kritisiert vor allem den Mangel an Praxisanleiter:innen, also erfahrenen Pfleger:innen die den Azubis helfen, die Theorie aus der Schule in die Praxis umzusetzen. Wegen des akuten Personalnotstands haben die Praxisanleiter:innen oft keine Zeit für die Azubis und diese sind auf sich alleine gestellt. Mia ist bereits im zweiten Ausbildungsjahr und findet, man sollte mehr medizinisches Wissen vermitteln und den Pfleger:innen mehr zutrauen. Beide sind sich darin einig, dass es noch ein langer Weg ist, bis ihre Ausbildung den Respekt bekommt, den sie auch verdient hat.

Profilfoto von Maira   Rundes Bild einer grauen Mauer als Platzhalter für Autorenprofilbild
von Maira und Fabian

 


Der Innenhof des Heilehauses: im Sommer warten hier Menschen auf ihre Wäsche oder sitzen im Café. | Foto: Leonie Koll

Der Innenhof des Heilehauses: im Sommer warten hier Menschen auf ihre Wäsche oder sitzen im Café. | Foto: Leonie Koll

Heilehaus in Kreuzberg

In einem Hinterhof in Kreuzberg nahe des Bethaniens ist es plötzlich ruhig, nur Vögel zwitschern und ein paar Menschen reden. Dort hängt ein Banner: “40 Jahre Heilehaus – nie wieder keine Zeit”. Nach diesem Motto wurde dort vor 40 Jahren ein alternatives Gesundheitsangebot geschaffen. Als in die Gegend nahe der Mauer in den 80ern nicht so viele Ärzte kamen, haben Menschen dort ein eigenes Gesundheitsangebot entworfen. So entstand ein Ort für Hygiene, Bewegung, Ernährung, Selbsthilfe und Naturheilkunde. Die Zeiten haben sich geändert, Lücken im Gesundheitssystem sind jedoch geblieben. Das Heilehaus versucht einige davon zu schließen und offen zu sein für Menschen, die woanders keinen Zugang finden.
Was braucht es dazu? Was ist eigentlich Gesundheit? Und wo sind die Grenzen von alternativen Angeboten wie diesem? Ein Besuch im Heilehaus und ein Gespräch mit einem Medizinanthropologen geben einen Einblick.

von Leonie


 

Demonstration der Berliner Krankenhausbewegung am 19. August 2021 zum Berliner Abgeordnetenhaus. | Foto: David Wetzel

Demonstration der Berliner Krankenhausbewegung am 19. August 2021 zum Berliner Abgeordnetenhaus. | Foto: David Wetzel

“Es gibt kein Recht auf Ausbeutung der Pflege!” lautete eine der Parolen, die letztes Jahr auf den Demos der Berliner Krankenhausbewegung skandiert wurden. Krankenpfleger David Wetzel war mit von der Partie. Er und gut 8000 Mitstreiter:innen, die allesamt an den Krankenhäusern Charité und Vivantes sowie Tochterunternehmen von Vivantes beschäftigt sind, haben letztes Jahr für bessere Arbeitsbedingungen gekämpft. Und zwar basisdemokratisch: in monatelanger Abstimmung wurde in allen beteiligten Belegschaften eine Mehrheitspetition mit vier Forderungen an die Geschäftsleitungen und an die Landespolitik ausgearbeitet. Als am Ende des von der Bewegung gestellten 100-Tage-Ultimatums keine der Forderungen umgesetzt worden war, machten sie ihre Drohung wahr und streikten einen Monat lang. Der ausdauernde Kampf hat sich gelohnt: drei Tarifverträge für mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen sind erfolgreich abgeschlossen.


von Clara


Politischer Aktivismus bei Hebammen

Der Hebammenberuf wird oft als Berufung beschrieben. Viele üben ihre Tätigkeit aus voller Überzeugung aus. Die Arbeitsbedingungen der Hebammen, besonders in der klinischen Geburtshilfe, stellen diese Überzeugungen jedoch auf eine harte Probe.
Oft betreuen Hebammen mehrere Frauen gleichzeitig und werden mit fachfremden Tätigkeiten zusätzlich belastet. In einer Studie zur Situation der klinischen Geburtshilfe im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums 2020 gaben knapp die Hälfte der befragten Hebammen an, das Gefühl zu haben, nicht genug Zeit für eine adäquate Betreuung der Gebärenden zu haben.
Das Ergebnis: Viele Hebammen reduzieren ihre Arbeitszeit. Die Teilzeitquote liegt bei rund 60 Prozent. Jede vierte Hebamme denkt darüber nach, den Beruf ganz zu verlassen. Die durchschnittliche Verweildauer im Beruf sind nur sieben Jahre.

Doch wie begegnen Hebammen diesen Bedingungen? Was sind die Hindernisse von Streiks und berufspolitischem Engagement und wie arbeiten junge und ältere Hebammen gemeinsam an einer Verbesserung des Systems, in dem die einen lernen und die anderen arbeiten?
Für die Beantwortung dieser Fragen wurde sowohl studierende als auch praktizierende Hebammen befragt, um sich ein Bild über den politischen Aktivismus der Hebammen zu machen.

Rundes Bild einer grauen Mauer als Platzhalter für Autorenprofilbild
von Lucia


 

Weiterführende Informationen und Quellen:

Zahlen zur Abbruchquote der Pflegeausbildung.

Das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) zum Fachkräftemangel 2021.

Die Präsidentin des Deutschen Pflegerats, Christine Vogler, über den Fachkräftemangel.

Informationen zum Heilehaus in Kreuzberg.

Informationen zur Berliner Krankenhausbewegung.

Gutachten der IGES im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums zur stationären Hebammenversorgung in Deutschland.

Informationen zur Verweildauer der Hebammen im Beruf.

Informationen zu den JuWeHen.


Moderation:

 Athena und Alina

 

CvD:

Lucia

 

Playlist:

Ruben

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