Queer in der Ukraine

Wie das Leben vor dem Krieg aussah und was für Gefahren lauern

In der Ukraine herrscht seit Monaten Krieg. Das Leben der ukrainischen Menschen ist gefährdet. Für queere Menschen ist die Gefahr in ihrer Heimat besonders groß. Wie das Leben von LGBTQ+-Mitgliedern vor dem Krieg aussah und ob es Gemeinsamkeiten zwischen der Ukraine und Deutschland gibt, erzählt Oleksandr Riabov.


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Queere Ukrainer*innen im Krieg besonders gefährdet

Oleksandr Riabvo ist schwul und aus der Ukraine. Nur wenige Monate vor dem Angriff der russischen Armee auf sein Heimatland, zieht er nach Berlin. Viele queere Menschen aus der Ukraine können nicht ausreisen. Männer zwischen 18 und 60 Jahren müssen im Land bleiben, um es zu verteidigen. Auch trans*- und intersexuelle Ukrainer*innen können oft ihr Land nicht verlassen, da in ihrem Pass “männlich” steht. Bei einer Eroberung der Ukraine durch die Russen sähe das Leben queerer Menschen anders aus. Oleks berichtet von seinen Sorgen:

“Das ist einer der Gründe, weshalb ich mir Sorgen mache. Es gibt viele queere Personen, die in der ukrainischen Armee kämpfen. Natürlich gibt es immer auch viele homofeindliche Menschen in der Ukraine, wie in fast jedem Land. Besonders in postsowjetischen Ländern. Aber wir haben zumindest keine queerfeindlichen Gesetze, wie Russland. Das ist einer der Gründe, warum ich nicht will, dass Russland mein Land erobert. “

Oleksandr: “Ukraine kann ein gutes Land für queere Menschen werden”

Seit der Unabhängigkeit der Ukraine im Jahr 1991 und dem Fall der Sowjetunion hat sich die Lage für queere Menschen in der Ukraine verbessert. Sie werden immer sichtbarer. Vor allem in den Großstädten wie Kiew, Odessa und Charkiw gibt es in den vergangenen Jahren immer größer werdende LGBTQ-Communities. Oleksandr ist im Donbass aufgewachsen. In Avdiyivka, einer kleinen Stadt in der Nähe von Donezk. Nach der Schule hat er sechs Jahre in Kiew gelebt und studiert. Er erzählt davon, wie unterschiedlich Kiew von Berlin ist, wenn es um das Leben queerer Menschen geht. “In Berlin hast du viel mehr Orte, an denen du dich entfalten kannst und sein kannst, wer du willst. So wie Clubs und Bars, in denen du anziehen kannst, was du willst”, sagt Oleks. In der Ukraine sei es etwas konservativer. Dennoch wird auch in Kiew jedes Jahr der Christopher-Street-Day gefeiert. Viel Polizei sorge dann für die Sicherheit queerer Menschen.

Person mit kurzen Haaren sitzt im Raum mit hohen Fenstern, Holzbänken und Wandpflanzen
Oleksandr Riabov erzählt von seinen Erfahrungen als schwuler Mann in der Ukraine. Foto: Athena Riegel

Regelmäßig kommt es zu queerfeindlichen Angriffen an LGBTQ-Treffpunkten. 2021 hat die ‎International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association‎‎ die Ukraine im Bezug auf LGBTQ-Rechte auf Platz 39 von 49 europäischen Ländern eingestuft. Hinter ihr unter anderem Belarus, Russland und die Türkei. Oleks glaubt trotzdem, dass sein Heimatland ein guter Ort für queere Menschen werden kann: “Ich glaube, wir brauchen noch etwas Zeit in der Ukraine. Aber besonders nach dem Krieg, wird sich was verändern. Jeder hat mindestens einen schwulen Mann, mit dem sie gemeinsam an der Front kämpfen. Wir haben auch sehr viele lesbische Frauen, die kämpfen. Und wer interessiert sich noch nach dem Krieg dafür, wer du bist, wenn du Ukrainer*in bist? Wir haben alle das gleiche erlebt und das zählt. Wer interessiert sich dann noch für deine Sexualität?”

Weiterführende Informationen

Ausführliche Informationen zu LGBTQ+-Rechten in der Ukraine.
Website der ‎International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association.

 


Autorin:

couchie Athena

Athena Riegel